Nach dem Auftakt der Roman-Trilogie über ihre Herkunft und ihre Familie mit dem ersten Band „Das Land der Anderen“ im letzten Jahr wurde nun ein neuer Essay-Band von Leïla Slimani auf deutsch veröffentlicht, in dem sie sehr offen und persönlich über einen nächtlichen Aufenthalt im Museo Punta della Dogana in Venedig erzählt…
Der Name Leïla kommt aus dem Arabischen und bedeutet „Nacht“ erfährt man, neben vielen weiteren Details aus der Gedankenwelt der Autorin, die uns an in diesem kleinen Band daran teilhaben lässt. Ihre Literaturagentin hat sie zu der Aktion überredet, eine Nacht eingeschlossen in Venedigs ehemaligem Zollgebäude zu verbringen, in dem sich heute ein Museum befindet. Beim Flanieren dahin begegnen ihr Unmengen an Kreuzfahrern und Touristen, das ist auch eine ihrer ersten Erkenntnisse – Sie hat keine Angst vor diesem Eingesperrtsein, vielmehr wohl eine Angst vor dem Draussen in der häufig so überlaufenen Lagune. Der Ort könnte passender nicht sein, denn die Punta della Dogana ist ein Ort, an dem sich die unterschiedlichsten Kulturen begegnen und Leïla selbst sieht sich auch immer hin- und hergerissen – sie ist keine von „hier“ und keine von „dort“. Das ist ihr Thema.
Mitreißend und mit entwaffnender Offenheit erzählt sie in diesem sehr persönlichen Buch von einer ungewöhnlichen Nacht, die sie allein im Museum Museo Punta della Dogana in Venedig verbringt, dem einstigen Zollgebäude der Serenissima. Einem Ort, an dem sich seit jeher Orient und Okzident begegnen und der zum Sinnbild ihrer eigenen Geschichte wird. Leïla Slimani nimmt uns mit auf eine Reise durch ihr Leben. Fesselnd erzählt sie von ihrer Familie und ihrer Kindheit in Rabat, vom Alltag in Paris als Mutter und Schriftstellerin, vom Leben zwischen den Kulturen, ihrer Aufgabe als Schriftstellerin und gesellschaftspolitisch engagierter Frau – und letztlich von der Kraft der Literatur. (Luchterhand Verlag)
Es ist bewundernswert, mit welcher Leichtigkeit die Autorin essentielle Themen ihres Lebens behandelt, beschreibt und uns als Leser daran teilhaben lässt. Vielbelesen zitiert sie situativ von Flaubert bis hin zu Virginia Woolf und erzählt von den Entstehungsprozessen ihrer Texte und einsamen Stunden in ihrem Schreibzimmer in Paris. Das alles vom lockeren Plauderton bis hin zu philosophischen Gedanken. Slimani ist eine der ganz grossen zeitgenössischen Autorinnen Frankreichs, es herrscht grosse Vorfreude auf die Fortsetzung von „Das Land des Anderen“…
„Der Duft der Blumen bei Nacht“ von Leïla Slimani, 2022, Luchterhand Verlag, ISBN: 978-3-630-87687-0 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Luchterhand Verlag (randomhouse) sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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