Die Fragestellung zum kürzlich erschienen Debüt-Roman von Yara Nakahanda Monteiro ist eigentlich hochinteressant: „Was löst es aus, in einen Kampf hineingeboren zu werden, der nicht der eigene ist und der doch alles beeinflusst?“. „Schwerkraft der Tränen“ ist eine Spurensuche nach der Herkunft, nach den Wurzeln, es geht um Identität und die Frage, wo komme ich her, wo gehöre ich hin…
Beantwortet wird dies nur ansatzweise und leider auf fast schon banale Weise. Insgesamt gesehen, ist der Roman enttäuschend, ja fast schon etwas ärgerlich, die Erwartungen an diesen interessanten Plot werden leider keinesfalls erfüllt, die Geschichte plätschert und plappert vor sich hin. Die Ankündigung liest sich spannend, auch oder gerade weil klar ist, dass der Roman stark autobiografisch gefärbt ist und man hierzulande über Angola nicht sehr viel erfährt. Man ist neugierig auf das Land und seine Geschichte. Man ist neugierig auf die Protagonistin Vitòria und ihre Spurensuche.
Vitòrias Leben besteht aus Erinnerungen. Aus Bildern, Gerüchen, dem Geschmack von saurer Milch. Da sind die Säulen eines Traumas, das sie nicht überwinden kann. Vitòrias flieht während des Kriegs für die Unabhängigkeit Angolas mit ihren Grosseltern nach Portugal, lernt ihre Mutter nie wirklich kennen. Jahre später bricht Vitòria aus, entdeckt die Einzigartigkeit, aber auch Zerrissenheit dieses, ihres Landes, von sich selbst. Ihrer Familie auf der Spur trifft sie in Huambo auf die Geister einer fremden Vergangenheit und muss lernen, dass es Risse gibt, die vielleicht zu tief sind, um noch geflickt zu werden. (Haymon Verlag)
Die Sprache des Romans ist eher einfach gehalten, literarisch gesehen nicht sehr anspruchsvoll und durchwegs unentschlossen, ja fast schon unausgegoren. Man fragt sich die ganze Zeit, was die Autorin eigentlich will. Sie entscheidet sich für keine Erzählperspektive, wechselt wahllos und ohne Konzept die Sicht und vergibt somit viele Chancen – hier hätte etwas wirklich Lesenswertes entstehen können (ein gutes Lektorat hätte sehr geholfen). Das ist sehr schade. Sicherlich, man erhält etwas Einblick in die heutige Situation Angolas, dem Leben vor Ort, die unglaubliche Korruption bereits in kleinsten alltäglichen Dingen, aber es fehlt die angekündigte grosse Geschichte, es fehlt eine Tiefe die von der Zerrissenheit der Protagonistin erzählt. Viele Beschreibungen wirken beliebig, man erfährt nicht, was denn nun Angola im Speziellen ausmacht, der Ort wird austauschbar, die einzelnen Figuren bleiben seltsam unnahbar, Empathie für die Protagonistin zu empfinden ist schwierig. Stattdessen bleibt man am Ende als Leser ziemlich unbefriedigt und etwas ratlos zurück.
„Schwerkraft der Tränen“ von Dara Nakahanda Monteiro, 2022, Haymon Verlag, ISBN: 978-3-7099-8153-5 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Haymon Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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Man liest selten einen derartigen Verriss bei dir, da du als Leser das Talent hast, dir die Perlen herauspicken Dass dir dieses bei dem besprochenen Buch nicht gelang, ist fast ein Grund hineinzulesen 😀 … ich werde mir mal auf ein Amazon eine Leseprobe zu Gemüte ziehen. Ich wünsche einen fröhlichen Ostermorgen aus dem (noch) sonnigen fröhlichen Berlin.
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Ja, da gebe ich Dir Recht. Ich war sehr gespannt und interessiert (sonst hätte ich das Buch ja nicht bestellt), aber es hat mich dann leider ziemlich enttäuscht, es plappert irgendwie vor sich hin und hat trotz des Themas wenig Substanz, am Schluss hab ich echt gedacht „Ok, das war es jetzt? Das kann es doch nicht gewesen sein?“. War aber so und deshalb finde ich es fast ärgerlich, dass die Autorin nicht mehr daraus gemacht hat. So schade! Zürich grüsst extrem sonnig zurück!
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