Aktuell in aller Munde und tatsächlich eine hochinteressante Lektüre – der Debütroman von Torrey Peters: „Detransition, Baby“. Frisch und losgelöst von althergebrachten Familienbildern gibt dieser Roman Einblicke in queeres Familienleben und die trans Community…
Torrey Peters, selbst trans Frau, hat bisher zwei Erzählungen veröffentlicht, ihr Debütroman schlug sofort ein, wurde hochgelobt, vom Time Magazine sogar als „einer der gefeiertsten Romane des Jahres“ bezeichnet und 2021 für den Women’s Prize for Fiction nominiert. Liest man den Plot, klingt es zunächst nach Soap, nach Telenovela, nach leicht kitschig konstruiertem Schundroman – lässt man sich darauf ein, stellt man sehr schnell fest, dass man tiefe Einblicke in die (New Yorker) trans Community erhält, denn viele Facts und Situationen dieser Geschichte klingen authentisch und wurden von der Autorin wohl auch selbst in ähnlicher Weise erlebt. Nur so kann man sich diese Wahrhaftigkeit erklären. Darauf muss man sich einlassen (können), für Leser:innen, die bisher keine Berührungspunkte mit der trans Community oder queeren Menschen hatten, sind es wohl zunächst viele neue Begrifflichkeiten, mit denn man sich beschäftigen, die man googeln, recherchieren muss.
Reese und Amy sind ein glückliches Paar, zwei trans Frauen in New York, mit dem Traum von einer Familie. Doch dann entscheidet sich Amy, wieder als Mann zu leben, und die Liebe zerbricht. Als drei Jahre später Amesʻ Chefin Katrina unerwartet von ihm schwanger wird, fasst Ames einen Plan: Warum ziehen sie das Kind nicht gemeinsam groß, zu dritt? (Ullstein Verlag)
Der Roman lässt tief blicken und und ist für den aussenstehenden Leser stellenweise erschütternd. Es ist etwa irritierend, wenn Reese zugibt, dass in Momenten, wenn sie als trans Frau von einem Mann geschlagen wird, sie sich wirklich als Frau fühlt, denn dann wirkt sie hilflos und zart. (s. 84), weil das „Aua“ im unausgesprochenen Subtext für sie heisst: „das ist passiert, will ich eine Frau bin“. „Detransition, Baby“ ist aber auch erfrischende und unterhaltsame Lektüre, losgelöst von hausbackenen Vorstellungen der klassischen Kernfamilie mit Vater, Mutter, Kindern – denn die Welt ist vielseitig, divers und braucht Verständnis für jede Form des Zusammenlebens, der Sexualität, der Identität. Das wirklich Interessante ist (für mich) jedoch die Detransition einer trans Person, davon bekommt man im daily life und in den Medien wenig mit. Eine wirklich empfehlenswerte Lektüre, denn Peters bleibt immer auch kritisch und hinterfragt und die nötige Portion Humor sowie auch etwas Zynismus geben die nötige Würze. Das macht diesen Roman sehr wertvoll.
„Detransition, Baby“ von Torrey Peters, 2022, Ullstein Verlag, ISBN: 9783550202049 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Ullstein Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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