Auf nach Bern! Der Ring-Auftakt in der Bundeshauptstadt ist mit einem äusserst gelungenen „Rheingold“ geglückt, setzt die im April nahende Premiere in Zürich von Andreas Homoki etwas unter Druck (das schadet nicht!) und macht sehr grosse Lust auf die Fortsetzungen…
Die zuletzt besuchte Rheingold-Vorstellung liegt schon etwas zurück (Bayreuth 2013 – Petrenko/Castorf) und so war die Vorfreude gross, noch vor dem Zürcher Ring-Auftakt, den Vorabend des Bühnenfestspiels in Bern zu sehen. Etwas skeptisch war ich schon – am Ring sind schon viele Regisseure gescheitert und nun soll eine sehr junge (was grundsätzlich lobenswert ist) Regisseurin namens EWELINA MARCINIAK, die noch nie eine Oper inszeniert hat, ihr Debüt mit „Der Ring des Nibelungen“ geben. Das ist sehr mutig von der Intendanz, aber wie die besuchte Vorstellung beweist – eine gute Entscheidung. Frisch und analytisch geht sie an das Werk, die einzelnen Charaktere sind interessant ausgeformt, auf Mystisches wird dennoch nicht verzichtet. Die Götterfamilie ist etwas bieder und konservativ: JOSEF WAGNER als geschniegelter, schmieriger Beamten-Wotan mit mächtiger Stimme, CLAUDE EICHENBERGER als repräsentative Fricka im sittsam hochgeschlossenen Kleid, man beruft sich auf Verträge und kann sich nicht vorstellen, dass der gewohnte Status jemals ändern könnte. Doch Freia (im Rapper:innen-Outfit: EVGENIA GREKOVA) schiesst daneben und kokettiert mit ihrer Situation als Pfand bei den Riesen. Vom Styling passt sie auch sehr gut zu den beiden coolen Gangsta-Rapper-Riesen. Der erste Auftritt von Fasolt (CHRISTIAN VALLE) und Fafner (MATHEUS FRANÇA) wird begleitet von zwei ultracoolen Hip-Hop-Street-Dancern – das ist herrlich und passt wie angegossen zur Musik. Die beiden Schwarzalben ROBIN ADAMS (Alberich) und MICHAL PRÓSZYŃSKI (Mime) sind stimmlich omnipräsent (Prószyński stellenweise zwar noch etwas nervös und unsicher, so what…) und lassen aufhorchen, ebenso der sehr schöne Tenor von FILIPE MANU als Froh. Loge gehört eindeutig schon jetzt zur mit den Riesen verbandelten Rapper-Posse, auch wenn sein Styling mit den weissen Doc Martens und hellem Kaschmir-Mantel etwas anderes erzählen soll – eine sehr gut gezeichnete Figur und musikalisch auf dem Punkt von MARCO JENTZSCH. Beim markigen Auftritt der Urmutter Erda (VERONIKA DÜNSER mit – für meinem Geschmack – etwas zu viel Vibrato in der Stimme) wird jetzt schon klar, wie wir die Nornen-Szene zu Beginn der „Götterdämmerung“ wohl erwarten dürfen. Die Rheintöchter (alle gut bei Stimme!) GIADA BORRELLI (Woglinde), EVGENIA ASANOVA (Wellgunde) und SARAH MEHNERT (Flosshilde) werden durch mehrere Tänzer:innen ergänzt, die sich in diversen Rollen immer mal wieder über die Bühne tummeln, das gibt dieser Inszenierung etwas sehr Lebendiges, das tut diesem Abend gut, ist doch das Rheingold häufig sehr statutarisch und eher bewegungsarm. Einige Momente dieses Ring-Auftakts sind wirklich grosses Kino, etwa Alberichs Fluch, wenn Wotan ihn fast schon zärtlich im Arm hält und im Hintergrund gleissend dass Rheingold erstrahlt oder natürlich immer ein Highlight, wenn zum Schluss die Götterburg Walhall erscheint und sie nun wohl ihrem Ende entgegenschreiten (zuvor aber nochmals Aufstellung nehmen für ein letztes Familienporträt an der Rampe). Es gibt viele schöne Regie-Einfälle und kleine Details, ohne permanent alles deuten zu wollen. Das gibt dem Ganzen etwas entspanntes. NICHOLAS CARTER am Pult des BERNER SYMPHONIEORCHESTERs lässt dazu einen eher unterhaltsamen Wagner ertönen, ein wenig Filmmusik (was ja der Ring letztendlich in seiner Gänze auch ist), ein wenig Geräuschkulisse. Er verzichtet auf allzu grossen Pathos, gibt den Sänger:innen genügend Luft, es wird nie langweilig, einzig bei den Hörner sind ab und zu ein paar Schwachstellen auszumachen, ansonsten wird hier hervorragend musiziert. Ein lustvoller Wagnerabend mit einem hervorragend besetzten Ensemble. Man muss es offen heraus sagen, dieser junge und unverfälschte Blick auf dieses Werk, bei dem sonst immer versucht wird, alles mögliche hineinzudeuten macht Spass, ist spannend und lässt auf drei spannende Fortsetzungen hoffen. Allerdings kommen die wirklich schwierigen Abende erst noch. Aber schon jetzt steht fest – auf nach Bern!
Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:
„L’Auberge du Cheval blanc“ – Opéra de Lausanne 31.12.2021
„Anna Bolena“ Premiere – Oper Zürich 05.12.2021
„Il Trovatore“ – Oper Zürich 28.10.2021
„Salome“ – Oper Zürich 17.10.2021
„Œdipe“ – Opéra National de Paris 11.10.2021
„Tosca“ – Oper Zürich 03.10.2021
„Guerre et paix“ – Grand Théâtre de Genève 19.09.2021
„L’incoronazione di Poppea“ – Oper Zürich (WA) 14.09.2021
„Salome“ – Oper Zürich Premiere (livestream) 12.09.2021
„La Bohème“ – Teatro Comunale di Bologna 05.08.2021
„La vedova allegra“ – Teatro Lirico Giuseppe Verdi Trieste 25.07.2021
“Die Geschichte vom Soldaten“ – Oper Zürich 11.06.2021
„Das schlaue Füchslein“ – Luzerner Theater 30.05.2021
Es freut mich, dass Claude Eichenberger immer noch in Bern singt. Ich kann mich noch lebhaft an sie erinnern, von Vorstellungen und Konzerte in früheren Jahrzehnten.
https://operasandcycling.com/operas-in-bern/
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Naja, so ungewöhnlich finde ich das jetzt nicht, zum einen ist sie ja noch nicht soooo alt und ausserdem immer noch sehr gut bei Stimme….. eine tolle Fricka! Herzlichst aus Zürich. A.
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