Il Trovatore – Oper Zürich 28.10.2021

Der Einstand des neuen GMD an der Oper Zürich – GIANANDREA NOSEDA dirigiert als erste Neuinszenierung „Il Trovatore“, einer meiner absoluten Verdi-Favoriten, an der schon viele Regisseure gnadenlos gescheitert sind…

Die walisische Regisseurin ADELE THOMAS scheitert nicht, ein grosser Wurf ist diese Inszenierung allerdings ebensowenig – zu unentschlossen, zu unausgegoren bleibt die eher konventionelle Regiearbeit, dabei hat das Ganze einige interessante Ansätze. Im Grunde genommen ist dieser neue „Trovatore“ eine seltsame Mischung aus Mysterienspiel, Slapstick und statuarischer Rampensingerei. Das Einheitsbühnenbild mit der grossen Treppe wird schnell langweilig, die Sänger:innen und der Chor sind im Tableau jeweils schön arrangiert, aufgepeppt mit allerlei Kampfszenen und ständig herumwuselnden Tänzern. Schön, dass die Regisseurin mit der Musik inszeniert und nicht gegen sie, die Choreographie von EMMA WOODS verstärkt Verdis Musik und betont die dämonischen Akzente des Stückes. Der Vorhang – buchstäblich der Hölle Rachen – öffnet und schliesst sich dann auch jeweils mit den Akten bzw. einzelnen Bildern, zuletzt landen wohl alle in der Hölle – so ist das Leben. Beim Kostümbild von ANNEMARIE WOODS (die auch das Bühnenbild verantwortet) sieht man dann auch Teufelsanleihen, Fratzen, Totenköpfe und sonstiges dämonisches Allerlei, Leonore ist schlicht im unschuldigen Weiss gekleidet, Ines kommt als Burgfräulein daher und Manrico und Graf Luna tragen prunkvollen Kitsch, irgendwie mittelalterlich verortet oder einem Gemälde entsprungen. „Il Trovatore“ ist eine der Opern, deren Handlung schwierig zu vermitteln ist, ich habe noch nie eine wirklich glaubwürdige Umsetzung gesehen, umso mehr liegt das Augenmerk auf der wundervollen Musik und den Sänger:innen, dieses Werk verlangt eine hervorragende Besetzung. Manrico, der Troubadour, ist in dieser Neuinszenierung mit der Zürcher Tenor-Allzweck-Wunderwaffe PIOTR BECZALA besetzt, der zwar grossenteils hält, was man von ihm erwarten kann, dennoch hat er immer den gleichen Manierismus und ein vielseitiger Darsteller ist er nun wirklich nicht, man sieht immer die selben Plattitüden, egal ob als Prinz Sou-Chong, als des Grieux, sogar als Lohengrin in Bayreuth oder eben jetzt als Manrico. Von allen Protagonisten des Abends erscheint er am langweiligsten, am oberflächlichsten. Seine Töne trifft er jedoch und seine Gassenhauer in dieser Partie erfüllt er – das muss man wirklich sagen – mit Bravour, die Stretta im vierten Akt war auf den Punkt, voller Kraft und Energie und absolut höhensicher. Bei manch anderen Nummern, sowohl solistisch als auch vom Chor, hatte man das Gefühl, dass sie nicht immer mit dem Orchester zusammen sind. Aber es war die zweite Vorstellung, da kommt so etwas schon mal vor. Sehr solide und durchgehend sicher: der Luna von QUINN KELSEY, sanft und bewegend seine Arie in der 2. Szene im 2. Akt „Il balen del suo sorriso“. Am stärksten jedoch die beiden Frauen: MARINA REBEKA als Leonore, zu Beginn noch etwas zaghaft, aber nach der Pause dreht sie auf, gibt Vollgas, der vierte Akt eine Glanzleistung, ihre Cabaletta kraftvoll und perlend, wunderbar! Die Entdeckung des Abends für mich ist sicherlich die Azucena von AGNIESZKA REHLIS mit ihrem kraftvollen Mezzosopran und herrlich tönender fundierter Tiefe holt sie musikalisch alles aus ihrer Rolle. Sie und die „Zigeuner“ sind Aussenseiter der Gesellschaft, in diesem Konzept ausstattungstechnisch leider ziemlich misslungen und erinnern ein wenig an schlecht geschminkte B-Movie-Zombis, aber im vierten Akt vergisst man diese Regie-Kapriolen, hier dominiert die herrliche Musik und spannungsgeladene Dramaturgie. Während mir zu Beginn die Tempi etwas zu flott erschienen, war mir das Finale dann zu sehr getragen – aber auch das ist natürlich Geschmacksache. Die vielen unheimlichen, angstvollen Momente sind deutlich spürbar, verstärken das teilweise Groteske der Handlung – das ist das Schöne an dieser Partitur, sie ist so leidenschaftlich, so lodernd, so hitzig und dennoch gibt es diese vielen ruhigen, mystischen Momente. Insgesamt ein herrlicher Einstand von Noseda mit Verdi, italienisches Repertoire das kann er – Brahms kann er auch – sein Requiem hat mir sehr gut gefallen. Und man kann sehr gespannt sein, wie er mit Wagner umgeht, im Frühjahr 2022 startet der neue Zürcher Ring von ihm und Andreas Homoki.

Zuletzt besuchte Vorstellungen:

„Salome“ – Oper Zürich 17.10.2021

„Œdipe“ – Opéra National de Paris 11.10.2021

„Tosca“ – Oper Zürich 03.10.2021

„Guerre et paix“ – Grand Théâtre de Genève 19.09.2021

„L’incoronazione di Poppea“ – Oper Zürich (WA) 14.09.2021

„Salome“ – Oper Zürich Premiere (livestream) 12.09.2021

„La Bohème“ – Teatro Comunale di Bologna 05.08.2021

„La vedova allegra“ – Teatro Lirico Giuseppe Verdi Trieste 25.07.2021

Die Geschichte vom Soldaten“ – Oper Zürich 11.06.2021

„Das schlaue Füchslein“ – Luzerner Theater 30.05.2021

„Intermezzo“ – Theater Basel 21.05.2021

10 Kommentare

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