Wohl eine der grossartigsten Vorstellungen des zu Ende gehenden Jahres 2022 gab es ungeplant am 20.12.2022 an der Oper Zürich, als Jonas Kaufmann seine dritte „Tosca“ – Vorstellung (hier in Zürich als „Gala“ markiert und mit entsprechenden Preisen verkauft, warum auch immer) kurzfristig wegen Erkrankung absagte. Sehr spontan ergänzte VITTORIO GRIGOLO als Cavaradossi-Einspringer die sowieso schon fulminante Besetzung – was für ein grandioses Erlebnis! Achtung: Jetzt wird es pathetisch, denn selbst 2 Tage nach dieser Vorstellung bin ich immer noch geflashed von dieser „Tosca“ – einer Sternstunde!
Es war fast zu erwarten, dass der häufig indisponierte Jonas Kaufmann nicht alle 3 mit ihm geplanten „Tosca“ Vorstellungen singt und so überrascht die Absage nicht wirklich. Grigolo der deswegen – an seinem Geburtstag – mit dem Auto von Mailand anreist und 1.5 h vor Vorstellungsbeginn – eintrifft, ist ein absoluter Glücksfall und zusammen mit der grossartigen SONDRA RADVANOVSKY als Floria Tosca und BRYN TERFEL als Scarpia eine sensationelle Besetzung mit Gänsehaut-Moment-Garantie. Die mittlerweile 14 Jahre alte Inszenierung (das Leben in seine ganzen Dramatik als ein einziges Theaterstück…) von ROBERT CARSEN ist immer noch gut in Schuss und sehr sehenswert, der luxuriöse Cast hervorragend einstudiert, selbst der Einspringer Grigolo souverän auf der Szene – Vollprofis am Werk, die alle von ihrer langjährigen Rollenerfahrung profitieren. Neben den zuletzt in Zürich gehörten Toscas Harteros (2017) und Yoncheva (2021) ist die Amerikanerin Radvanovsky ein absolut sehens- und hörenswertes Erlebnis. In Zürich war sie zuletzt als Amelia („Un ballo in maschera“) zu sehen – ihre reife Stimme ist eine Wucht, ihre Präsenz unglaublich und kraftvoll, gleichzeitig so zart und zerbrechlich wie etwa ihr wunderschön gesungenes und absolut gelungenes „Vissi d’arte“. Bryn Terfel (Scarpia) fasziniert bereits bei seinem ersten Auftritt in der Kirche, fast schon dämonisch und böse steht er da und beobachtet die Szenerie und doch ist er gleichzeitig ein glaubhaft Liebender, der eben nicht nur mit Tosca ins Bett will, sondern für sie tiefere Gefühle empfindet. Grigolo ist ein ungestümer Cavaradossi mit grossartiger Disposition, im Forte fundiert und wunderschöner Strahlkraft, dabei voller Leichtigkeit, Zartheit, sanftem Schmelz – kein Wunder also, gibt es ein Da Capo für „E lucevan le stelle“. Heutzutage eher selten zu erleben, dass eine Arie wiederholt werden muss und es während der Vorstellung Standing Ovations im Publikum gibt. Was für ein bewegender Moment. Ich bin kein Fan grosser pathetischer Gefühlsausbrüche und dramatischer Opern-Gestik, aber Grigolos Cavaradossi hat mich so sehr berührt, wie wohl selten ein Tenor. Pathos, richtig dosiert – das ist wohl jedem Anwesenden tief eingefahren. Am Ende langanhaltende Ovationen und Bravi für das komplette hochkarätig besetzte Ensemble und der herrlich klingenden PHILHARMONIA ZÜRICH im Graben unter GIANANDREA NOSEDA. Das Orchester trägt die Sänger, trotz üppiger Puccini-Kantilenen wird nie übermässig aufgetrumpft, aussergewöhnlich feinfühlig musiziert, grossartig die Orchester-Soli (die Klarinette! das Cello!) – was für ein Rausch! Was für eine Vorstellung! Was für ein grosses Glück, dabei gewesen zu sein! Sternstunde!
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Freut mich, dass es schön war.
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Ist auch schon eine gute Besetzung
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Allerdings, auch wenn ich gerne mal wieder den Kaufmann gehört hätte, aber er gehört wohl auch eher zu den Sängern, die immer etwas überbewertet werden und sich einfach gut vermarkten. Anyway, ich hatte grosse Freude! Wünsche Dir schöne Weihnachtstage! Herzlichst aus Zürich. A.
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Lieber Adrian, da kommt ein wenig Neid auf. Allein bei deiner Beschreibung springt der Funke über. Aber ich gönn euch von Herzen das Opernglück.
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Meine Liebe – schön von Dir zu hören! Hab schöne Weihnachtstage und lass es Dir gut gehen! Herzlichst! A.
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