In hörenswerter Besetzung zurück am Zürcher Opernhaus: Charles Gounods „Faust“ mit RYAN MCADAMS am Pult der PHILHARMONIA ZÜRICH…
Die unterhaltsame kluge Inszenierung JAN PHILIPP GLOGERS von 2013 ist immer noch sehenswert, gut gealtert und lohnt den Besuch! Gloger zeigt die Bigotterie der Gesellschaft, immer schwankend zwischen Dekadenz, Glaube und Moral. Gounods „Faust“ hat mit dem deutschen Goetheschen Faust wenig gemein, natürlich sind es die gleichen Protagonisten, aber die Quintessenz ist nicht die gleiche. SAIMIR PIRGU als genusssüchtiger Faust will nicht mehr Wissen, die Liebe und das Leben sind es, die er (nochmals) spüren will und dabei alle anderen mit ins Verderben reisst. Sein immer wieder beeindruckender Tenor mit sicheren Höhen klingt wunderbar, manchmal hätte man sich gewünscht, dass er sich etwas zurücknimmt und sanfter wird – aber herrlich die Strahlkraft und Sicherheit. Ebenbürtig sein Gegenpart mit wunderschön fundiertem Bass ROBERTO TAGLIAVINI als Méphistophélès. ANITA HARTIG als Marguerite gefällt mir im Verlauf der Vorstellung zunehmends besser, war ich zu Beginn nicht so ein grosser Freund ihrer vibratoreichen Stimme. KONSTANTIN SHUSHAKOV, der mir immer noch als Don Giovanni in Sebastian Baumgartens Inszenierung bestens in Erinnerung ist. erfreut mit samtig-weicher Stimme als Valentin und die Marthe von LILIANA NIKITEANU ist sowieso köstlich! ALEXANDRA KADURINA als Siébel und JUNGRAE NOAH KIM als Wagner vervollständigen das hervorragend besetzte Ensemble. Der von ERNST RAFFELSBERGER einstudierte Chor klingt prächtig, ist präsent und spielt sich nicht – wie so häufig – in den Vordergrund. Gloger hat seine Chorauftritte geschickt auf den Hub-Podis arrangiert. Überhaupt ist Glogers Inszenierung immer noch packend, hat Witz und Humor und die nötige Portion Tragik, eine wirklich kluge Umsetzung des Stoffes in schönen Bildern (grossartige Bühne: BEN BAUR, Kostüme: KARIN JUD). Man hat das Gefühl, hier stimmt alles von der ersten bis zur letzten Minute der Produktion. Aus dem Graben tönt sängerfreundlicher Gounod, Ryan McAdams und die Philharmonia Zürich verzichten auf grossen Hau-Drauf, liefern die nötige Sentimentalität und Dramatik, gleiten aber nie in allzu schwülstigen Kitsch (was bei diesem Werk ja durchaus möglich ist). Gounods „Faust“ in Glogers Inszenierung bietet genau die richtige Mischung für eine schöne und schwelgerische Vorstellung am Sonntagnachmittag. Was für ein grosses Vergnügen!
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