Leila Slimani – Schaut, wie wir tanzen.

Der zweite Band von Leila Slimanis biographischer Trilogie ist erschienen und erzählt von bleiernen Jahren im Marokko der 60er Jahre, dem Aufbruch in ein postkolonialistisches Zeitalter nach der Unabhängigkeit von Frankreich und dem Wunsch nach einer neuen und modernen Zeit…

Der Wandel ist beschwerlich, es herrschen die alten – von Attentaten erschütterten – monarchistischen Strukturen, Korruption und die Schwierigkeiten einer Balance zwischen Tradition und Moderne. Gleichzeitig brodelt es, die junge Generation will leben, feiern, lieben…

Im Sommer 1968 kehrt Aïcha Belhaj nach vier Jahren Medizinstudium in Straßburg nach Marokko zurück. In Frankreich gehen die Studenten auf die Straße, von den Barrikaden tönt der Ruf nach gesellschaftlicher Veränderung. Doch in ihrer Heimat trifft die angehende Ärztin auf eine erstarrte Welt. Die Farm von Aïchas Vater floriert zwar, die Familie allerdings ist zerrissen. Ihr Bruder Selim verschwindet in einer Hippiekommune an der Küste und versinkt im psychodelischen Drogenrausch. Wie soll Aïcha sich behaupten in einem Land, in dem bisher nur Männer Ärzte sind und das von einem autoritären König regiert wird? Am Abend der Mondlandung begegnet sie in einer Strandbar bei Casablanca einem Wirtschaftsstudenten, den alle nur »Karl Marx« nennen. Er ist Teil einer intellektuellen Jugend, die das Land erneuern möchte. Kann Aïcha mit ihm ihren Traum von einem unabhängigen Leben verwirklichen? (Luchterhand Verlag)

Hippies entdecken die Exotik Nordafrikas, während in Paris die Studentenunruhen toben, es ist das Jahr 1968, die Welt scheint im Umbruch und gleichzeitig werden traditionelle Werte hochgehalten. Grossartig schildert Leila Slimani – wie bereits im ersten Band „Das Land der Anderen“ die Sorgen und Probleme ihrer Familie, die es „geschafft“ hat, gleichzeitig in der permanenten Angst lebt, dass es vorbei sein könnte mit Aufstieg und Klassenerhalt. Es ist die Geschichte ihrer Grossmutter und Mutter, es ist die Geschichte der Frauen in ihrer Familie, denn diese sind es, die mit ihrer starken Persönlichkeit und Identitätssuche in dieser männerdominierten Welt die Geschicke lenken. Es ist die Geschichte über den bürgerlichen Aufstieg ihrer Vorfahren, aber es ist auch ein Roman über Frauenrechte in einem islamisch geprägten Land und – denkt man an die derzeitigen Proteste im Iran – aktueller denn je. Leila Slimanis Bücher sind zumeist geradlinig, erzählen eher kurz und prägnant die Geschichte – wie schön, lässt sie sich mit dieser Trilogie dazu hinreisen, dem Leser eine erzählerisch ausschweifendere, packende Familiensaga vorzulegen, deren Impact man sich nicht entziehen kann. Die Vorfreude auf den dritten Band ist gross!

„Schaut, wie wir tanzen“ von Leila Slimani, 2022, Luchterhand Verlag (Randomhouse), ISBN: 978-3-630-87647-4 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Luchterhand Verlag (Penguin Randomhouse) sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

Zuletzt gelesen:

Lukas Hartmann – Ins Unbekannte

Mónica Subietas – Waldinneres

Giulia Caminito – Das Wasser des Sees ist niemals süss

Thomas Hürlimann – Der rote Diamant

Torrey Peters – Detransition, Baby

Yvonne Spauschus/Moussa Mbarek – Das Warten auf Leben

Walter Tevis – Der Mann, der vom Himmel fiel

Fatma Aydemir – Dschinns

Zora del Buono – Die Marschallin

Hilmar Klute – Die schweigsamen Affen der Dinge

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