Lady in the Dark – Theater Basel 04.12.2022

Es ist lange her, dass ich eine Vorstellung in der Pause verlassen habe, denn grundsätzlich denke ich positiv und gehe davon aus, dass sich der zweite Teil noch lohnen könnte – zudem hat es mit der Wertschätzung der Künstler zu tun, die in der Regel nichts für eine schlechte Inszenierung können und das Beste daraus machen. In den knapp 1000 von mir besuchten (und dokumentierten) Vorstellungen kam dies erst genau vier mal vor. Zuletzt leider bei „Lady in the Dark“ in der Regie von MARTIN G. BERGER am Theater Basel. Schade, denn das Stück, Story und Musik sind wirklich toll und eine Entdeckung wert…

Man fragt sich schon, warum Berger genau dieses Stück inszeniert hat, inszenieren wollte, denn ab der ersten Minute hat man das Gefühl, dass hier schlampig, ignorant, gelangweilt, desinteressiert gearbeitet wurde – grosse Lust auf oder gar Sorgfalt für das Stück ist nicht in Ansätzen zu erkennen. Shame on you!

Hin- und hergerissen zwischen verschiedenen Titelblättern, Männern und Lebensentwürfen, stolpert die erfolgreiche Mode-Chefredaktorin Liza Elliott ungebremst in ein Burn-out. Sie begibt sich in Psychoanalyse und legt ihre Träume auf den Seziertisch. In Kurt Weills Broadway- Musical von 1941 wird Liza Elliots Traumwelt zum überdrehten Revue-Spektakel mit vollbesetztem Sinfonieorchester. (Theater Basel)

Bereits beim Opening löscht es mich ab – Eliza Elliott ist unverkennbar ein Zitat von Anna Wintour, Chefredakteurin der US-amerikanischen VOGUE-Ausgabe (uh – nicht schon wieder!), das mager ausgedünnte Tanztrüpplein zeigt seine dürftigen Choreografien (MARIE-CHRISTIN ZEISSET) in billig aussehenden Kostümen von ESTHER BIALAS als Karl-Lagerfeld-Imitate und versucht dabei, möglichst nicht die überall in den Bühnenboden gesteckten Blumen zu beschädigen. Das Geschehen auf der Bühne und die opulent tönende Musik von Ira Gershwin aus dem Graben (am Pult THOMAS WISE) könnten nicht gegensätzlicher sein. Highlight dieser wirklich sehr schwachen Produktion ist DELIA MAYER in der Hauptrolle, voller Eleganz, Understatement, powerful und doch zerbrechlich zeigt sie sich als neurotische Chefredakteurin, im Herzen jedoch einsam und verletzt. STEFAN KURT als Russel Paxton bleibt erstaunlich blass und unscheinbar, eine lächerliche Dandy-Groteske, so wie sämtliche Figuren (bis auf die grossartige Delia Mayer) in oberflächlichen Klischees dahindümpeln – klar, der Creative Director kommt als obertuntige Designer-Karrikatur daher (GABRIEL SCHNEIDER), die beiden Assistentinnen (MARION WULF und VALENTINA INZKO FINK) werden ausgenutzt und immer wieder zurechtgestutzt vom übergrossen Ego der Chefin, die Kolumnistin Alison Du Bois (ESTHER RANDEGGER) ist eine verkannte Künstlerpersönlichkeit. Wunderbar natürlich und glaubwürdig: MARTIN HUG als Kendall Nesbitt und JAN REKESZUS als jugendlicher Strahlemann-Lover Randy Curtis. Die deutsche Übersetzung von Roman Hinze ist an sich schon ziemlich schlecht, wird jedoch nicht besser durch ein Update mit zeitgenössischen Themen, die in Bergers Regie permanent angedeutet und zitiert werden (von Genderthemen bis hin zur Body-Positivity), er jedoch nie etwas daraus macht – Hauptsache man hat ein aktuelles Wording. Dabei gäbe es hier ganz viele tolle Themen, an die man ansetzen könnte. Das eigentliche Thema Psychoanalyse wird sowieso nur am Rande gestreift, das hat das Kreativteam offensichtlich nicht interessiert. Das ist so ärgerlich und ein liebloser Umgang mit dem Stück, aus dem man so viel hätte machen können. Die Traumsequenzen bieten eine unzählige Vielfalt an Inszenierungsmöglichkeiten, die Musik klingt nach grosser Revue und Show, zu sehen ist jedoch genau das Gegenteil – provinzielles Musicaltheater. Es war für uns ziemlich schnell klar, dass wir das nicht bis zum Finale ertragen können, wir haben die Vorstellung in der Pause verlassen, sehr schade! Und sehr ärgerlich!

Zuletzt besuchte Musicals:

Dear Evan Hansen – Noël Coward Theatre London 15.10.2022

„&Juliet“ – Shaftesbury Theatre London 14.10.2022

„Cabaret“ at the Kit Kat Club – Playhouse Theatre London 13.10.2022

„Hamilton“ – Victoria Palace Theater London 12.10.2022

„Bodyguard“ – Premiere Theater 11 – 05.03.2020

„Les Miserables“ – Premiere Theater 11 Zürich am 23.02.2020

„The Book of Mormon“ – Premiere Theater 11 Zürich am 13.12.2019

„Everybody’s talking about Jamie“ – Apollo Theatre London am 03.04.2019

„Les Miserables“ – Queens Theatre London am 02.04.2019

„Follies“ – National Theatre London am 01.04.2019

„La Cage aux Folles“ – Theater Basel am 31.12.2018

Foto: © Ingo Höhn

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