Tarjei Vesaas – Die Vögel.

Was für eine wunderbare Entdeckung! Vesaas Roman erschien bereits 1957, ist hierzulande aber nahezu in Vergessenheit geraten. Da kann man dem Guggolz-Verlag nur ausserordentlich dankbar sein, dieses grossartige Buch in neuer Übersetzung (von Hinrich Schmidt-Henkel) wieder aufgelegt zu haben. Toll!

Die Nachricht „Du bist Du“ (Seite 89) hinterlässt eine Schnepfe für das grosse Kind Mattis, der bereits in den Vierzigern ist und mit seiner Schwester zusammen lebt. Und gar andere wunderliche Dinge passieren und der Autor lässt uns an diesem speziellen Leben in Mattis ganz eigener Welt teilhaben. In sparsamer, einfacher, wunderbarer Sprache verzaubert Vesaas den Leser und beschreibt das Innenleben und den ganz eigenen Blick auf die Welt des Protagonisten.

Tarjei Vesaas (1897–1970) ist mit zwei meisterhaften Romanen unsterblich geworden: »Das Eis-Schloss« und »Die Vögel«. In »Die Vögel« erzählt er von dem Außenseiter Mattis, der sich in eine kindliche innere Welt zurückgezogen hat und von den anderen Dorfbewohnern als zurückgeblieben verlacht wird. Seinen Lebensunterhalt versucht er mit kleinen Hilfsarbeiten auf dem Feld und im Wald zu bestreiten. Mattis lebt in einer Hütte am See mit seiner Schwester Hege, die den Haushalt führt und ihn versorgt, und er fühlt sich mit der Natur ringsum verbunden. Besonders ziehen ihn die Waldschnepfen an, deren frühlingshaften Balzflug er als Zeichen sieht, als Verheißung, die er nicht entschlüsseln kann. Als eines Tages der Holzfäller Jørgen auftaucht, sich in Hege verliebt – und dann auch noch eine Schnepfe erschossen wird, wirft es Mattis aus der Bahn. (Guggolz Verlag)

Karl Ove Knausgård hat den Roman als »besten norwegischen Roman, der je geschrieben wurde«, bezeichnet. Das kann ich nicht beurteilen, aber so viel steht fest – der Eindruck ist bleibend, nachhaltig, vielschichtig. Vieles wird erzählt, vieles wird aber auch nur angedeutet, interessant ist für den Leser das Ungesagte. Sehr fein, ja fast schon poetisch und voller zarter Hingabe an die Figuren fühlt man mit Matthis, lebt und liebt und leidet mit Mattis. Das ist wundervoll und einzigartig, schon lange habe ich nicht mehr einen Roman gelesen, der mich so verzückt hat und dessen Hauptfigur ich so sehr ins Herz geschlossen habe. Unbedingte Leseempfehlung!!!

„Die Vögel“ von Tarjei Vesaas, 1957 erstmals erschienen, Guggolz Verlag (2020), ISBN 978-3-945370-28-5 (Werbung)

Zuletzt gelesen:

Nell Zink – Das Hohe Lied

Charles Lewinsky – Der Halbbart

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