Ewald Arenz – Alte Sorten.

Der Roman „Alte Sorten“ des fränkischen Autors Ewald Arenz ist eine Entdeckung! Dieser Geschichte kann man sich nicht entziehen. Hochemotional und doch in gewisser Art und Weise wohl überlegt und in sich ruhend beschreibt Arenz eine alltägliche Geschichte, die eben doch keine ist….

Es ist ein stiller und leiser Roman – wohltuend ist das und auch sehr bewegend. Wunderbar etwa die Beschreibungen, mit denen eine der beiden Protagonistinnen die unterschiedlichen Geschmäcker alter Birnensorten kostet und voller Lust und Wonne dieses Erlebnis beschreibt – wo gibt es das noch? Diese Lust und Liebe auf Einfaches und schon immer Gewesenes, mittlerweile Abhandengekommenes. Lustvoll beschrieben, nie glorifiziert, auch die Ernte, die Arbeit in der Destille und weitere alltägliche Tätigkeiten auf dem Hof. Dazu zwei spannende Charaktere: Sally und Liss. Unterschiedlicher könnten die Beiden nicht sein und doch wird schnell klar, sie haben sich gefunden – um zu überleben.

Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich alles: Angebote, Vorschriften, Regeln, Erwachsene. Fragen hasst sie am meisten, vor allem die nach ihrem Aussehen.
Liss ist eine starke, verschlossene Frau, die die Arbeiten, die auf ihrem Hof anfallen, problemlos zu meistern scheint. Schon beim ersten Gespräch der beiden stellt Sally fest, dass Liss anders ist als andere Erwachsene. Kein heimliches Mustern, kein voreiliges Urteilen, keine misstrauischen Fragen. Liss bietet ihr an, bei ihr auf dem Hof zu übernachten. Aus einer Nacht werden Wochen. Für Sally ist die ältere Frau ein Rätsel. Was ist das für Eine, die nie über sich spricht, die das Haus, in dem die frühere Anwesenheit anderer noch deutlich zu spüren ist, allein bewohnt? Während sie gemeinsam Bäume auszeichnen, Kartoffeln ernten und Liss die alten Birnensorten in ihrem Obstgarten beschreibt, deren Geschmack Sally so liebt, kommen sich die beiden Frauen näher. Und erfahren nach und nach von den Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden. (Dumont Verlag)

Mit viel Feingefühl erzählt Ewald Arenz die Geschichte dieser ungewöhnlichen Freundschaft, ohne ins Sentimentale abzugleiten (was durchaus hätte passieren können!). Ob das Leben auf dem Land, auf dem Bauernhof, tatsächlich die Lösung für alle Probleme bietet, daran kann man zweifeln, aber sicherlich ist es ein Rückzugsort, um wieder zu sich selbst zu finden. Ein guter Plot mit starken und interessanten Figuren. Man weiss als Leser gar nicht so genau, woran man dieses Leseglück festmachen soll, aber es stellt sich ein ruhiges, besonnenes, wohltuendes Gefühl ein – so ging es mir, ich habe es sehr genossen diesen Roman zu lesen. Er lässt einen positiv in die Zukunft blicken, an das Gute glauben und hinterlässt wohltuendes Licht, Herzenswärme, Zuversicht. Klingt irgendwie esoterisch. Egal. Ich kann diesen Roman jedem Leser wärmstens ans Herz legen! Diese Lektüre tut gut.

„Alte Sorten“ von Ewald Arenz, 2019, Dumont Verlag, ISBN 978-3-8321-8381-3 (Werbung)

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29 Kommentare

  1. kulturbowle

    Das freut mich sehr, dass Dir dieser Roman auch so gut gefallen hat. „Wohltuend“ trifft den Charakter des Buches wirklich gut. Ich war auch absolut begeistert, als ich ihn gelesen habe. Der neue Roman von Ewald Arenz „Der große Sommer“ liegt mittlerweile auch schon eine ganze Weile bei mir zu Hause, aber ich habe mir den Genuss immer noch aufgehoben, weil ich mir die Vorfreude noch ein wenig bewahren wollte (es ist immer schade, wenn solche Bücher dann so schnell gelesen sind) und auch auf passendes Sommerwetter warten wollte. Tja, das Wetter würde jetzt passen… mal sehen, wann die Zeit gekommen ist.

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    1. arcimboldis_world

      Ja! Ich fand es wirklich wunderbar, diesen Roman zu lesen und habe mich gefreut, dass Ewald Arenz ja quasi aus meiner Heimat kommt. Das hatte so eine tolle Leichtigkeit, obwohl es gar nicht leicht ist, dieses Thema. Mir hat das so gut gefallen. Ich kannte ihn vorher überhaupt nicht. Werde sicherlich auch den neuen Roman lesen. Ich habe gerade so viel Arbeit und Stress und bin so dankbar für literarische Auszeiten, um die ich wirklich kämpfen muss. Und es ist Sommer! Endlich! Hurra.
      Bisous nach Bavaria! A.

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    1. arcimboldis_world

      Liebe Nicole – das finde ich jetzt aber schon interessant – was hättest Du denn erwartet, wie man das als Mann beurteilt oder beurteilen sollte? Ich beurteile das als Adrian – das hat ja mit dem Geschlecht nichts zu tun. Ich finde es eben total wichtig, dass man sich von diesen ganzen gängigen Klischees mal langsam verabschiedet und sich zumindest bemüht auch alles korrekt zu Gendern wenn man was schreibt etc. – das geht nicht von heute auf morgen, wir wurden ja auch so nicht sozialisiert. However – ein toller Roman, nicht wahr!? Herzlichst aus Zürich. A.

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      1. Nicole Kirchdorfer

        Ja. Ein toller Roman. Gendern finde ich ehrlich gesagt nicht wichtig…für mich sind eh alle gleich. Es ist am Ende nur traditionell so, dass Männer (die, die kenne) weniger gerne tiefe Emotionalität hören oder lesen, bzw. sich offen damit auseinandersetzen. Und den Roman fand ich höchst emotional.
        LG Nicole

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      2. arcimboldis_world

        Interesting. Ich fand die Qualität des Roman jetzt nicht in der Emotionalität, sondern eher in der Ruhe, die er hat. Spannend, wie unterschiedlich man doch Literatur wahrnimmt, nicht wahr? Anyway. Ein tolles Buch. By the way, ich lese gerade das neue von Leila Slimani, das ist auch grossartig! So wie alles von ihr! Einen schönen Sommerabend wünscht Dir A aus Zürich (herzlichst)

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