William Boyd – Trio.

Der im Frühjahr 2021 auf deutsch erschienene Roman „Trio“ von William Boyd ist auf den ersten Blick eine vermeintlich unterhaltsame Lektüre für zwischendurch, beim genaueren Hinsehen erkennt man dann relativ schnell seine Komplexität und seine vielen Facetten…

Äusserst unterhaltsam ist der Roman natürlich trotzdem oder gerade deswegen. Die drei lose miteinander verwobenen Figuren Elfrida, Anny und Talbot kämpfen jeder auf seine eigene Art und Weise mit den Tücken des Lebens, ihren Geistern, ihren Ängsten, Sorgen und Fallstricken. Nach und nach taucht man als Leser ein, nimmt Anteil und ist erstaunt über die Lebendigkeit der Charaktere.

Es ist der Sommer 1968: In Paris gehen die Studenten auf die Straße, in Vietnam wütet der Krieg, Martin Luther King wird ermordet. Während die Welt in Aufruhr ist, wird im sonnigen Brighton ein aparter Kinofilm gedreht. Hier kreuzen sich die Wege eines Filmproduzenten, einer Schriftstellerin und einer Schauspielerin. Alle drei führen ein Doppelleben: Elfrida, der keine Zeile mehr einfällt und deren Ehe zerrüttet ist, ertränkt ihren Frust in Wodka. Talbot, der Filmproduzent, hat ein geheimes Hobby und macht gute Miene zum bösen Spiel, denn er weiß, dass sein Geschäftspartner versucht ihn auszubooten. In Anny, die umwerfende Hauptdarstellerin, ist die ganze Welt verliebt, aber ihre Liebschaften bereiten dem Filmstar nur Scherereien: Sie hat eine Affäre mit ihrem Filmpartner, und natürlich taucht ihr Liebhaber, ein Philosoph aus Paris, überraschend am Set auf. Außerdem sitzt Anny ihr Ex-Mann im Nacken – und das FBI. Während die Dreharbeiten bei scheinbar ausgelassener Stimmung voranschreiten, rumort es hinter den Kulissen gewaltig. Die Geheimnisse des Trios drohen aufzufliegen. Wie lange kann jeder seine Rolle spielen? Und wer inszeniert das größte Drama? (Kampa Verlag)

Die Handlung des Romans spielt im Jahr 1968, in dem weltweit Aufbruchstimmung und unruhige Zeiten herrschen, die drei Protagonisten werden davon nur wenig tangiert, das erstaunt ein wenig und häufig vergisst man diese zeitliche Verortung, wird eigentlich immer nur dann wieder daran erinnert, wenn Talbot die Songtexte von Richard Harris „Mac Arthur Park“ nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Der Roman liest sich wie das Drehbuch eines Films und man kann sich eine (wohl ziemlich sichere) Verfilmung des Plots gut vorstellen. Jede Figur ist feinfühlig gezeichnet, die Handlungen sind nachvollziehbar und das macht auch die hohe literarische Qualität dieses Romans aus. Und es ist kaum zu glauben, welche Bandbreite an Genres sich in „Trio“ wiederfinden, vom Künstlerroman bis hin zum Thriller, jedes Kapitel überrascht. Für mich war es der erste Roman von William Boyd, den ich zwar immer wieder auf meiner Leseliste stehen hatte, der aber – aus mir unerfindlichen Gründen – von mir immer etwas stiefmütterlich behandelt wurde. Das soll sich nun ändern. Die Lektüre von „Trio“ macht grosse Lust, die früheren Romane von ihm zu entdecken.

„Trio“ von William Boyd, 2021, Kampa Verlag, ISBN: ISBN 978 3 311 10072 0 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Kampa Verlag sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

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21 Kommentare

      1. Stefan Heidsiek

        Am besten gefallen und am meisten Eindruck hinterlassen hat „Eines Menschen Herz“. Die fiktive Lebensgeschichte von Logan Mountstuart, die so ein bisschen das literarische Äquivalent zu „Forrest Gump“ darstellt – und zumindest mir ähnlich nah gegangen ist. Ein fantastisches Werk, dass ich in naher Zukunft auch auf meinem Blog nochmal näher vorstellen möchte.

        Drei Werke von ihm habe ich bereits rezensiert, zuletzt „Ruhelos“. Falls es für Dich okay ist, setze ich hier mal den Link ein.

        Krieg der Lügen

        Und hier seine Bibliographie mit den Links zu den anderen Besprechungen:

        Boyd, William

        Herzliche Grüße zurück aus dem Spessart in die schöne Schweiz
        Stefan

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      2. arcimboldis_world

        Naja, lieber Stefan, da verlasse ich mich ganz auf Dich und werde wohl als nächstes „Eines Menschen Herz“ lesen, so sich denn mein aktueller Lesestapel etwas verkleinert! Herzlichst aus Zürich, wo heute der erste Schnee gefallen ist und ich aus dem Fenster in eine Winterwonderland-Stadt blicke, grässlich, ich hasse Winter, habe heute aber meinen freien Tag und werde ihn wohl auf dem Sofa mit einem Buch verbringen…. 🙂 Liebe Grüsse, A.

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      3. Stefan Heidsiek

        Hier steht fürs WE auch Schneefall an. Wenn auch noch in geringen Mengen. Da werde ich wohl auch mal die Zeit zum Lesen nutzen. – Ich wünsche Dir viel Freude an „Eines Menschen Herz“ und würde mich freuen, wenn du dann mal Dein Feedback gibst. Liebe Grüße zurück und bleib gesund! Stefan

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  1. frau frogg

    Lieber Arcimboldi, wie ich sehe, folgst Du meinem Blog buehlersblog2.wordpress.com. Das freut mich, aber Du wirst dort nicht finden, was Du – möglicherweise – suchst. Mein aktiver Blog ist https://www.froggblog.ch/, wo ich auch (dann und wann) über Bücher schreibe. Es würde mich freuen, Dir dort zu begegnen. Ich muss hinzufügen: Ich finde Deinen Bücherblog einen der anregendsten, den ich kenne.

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