Bereits vor der Premiere des neuen Bayreuther „Lohengrin“ gab es für die Presse viel zu berichten, so dass die Hügel-PR-Maschinerie bereits lange am rotieren war. Zunächst der Wechsel im Regieteam von Alvis Hermanis zum relativ jungen und unerfahrenen Nachwuchsregisseur Yuval Sharon, dann die nicht auf der Besetzungsliste auftauchende Anna Netrebko (munkelte man doch lange, sie würde die Elsa singen) und zuletzt natürlich die kurzfristige Absage von Roberto Alagna in der Titelrolle… – also bereits im Vorfeld viel Tamtam für eine ziemlich enttäuschende Neuproduktion…. – Kalkül?
Nun, mittlerweile ist bestätigt, dass die Netrebko 2019 zwei Vorstellungen singen wird und für Alagna (eh kein grosser Verlust) konnte man Piotr Beczala verpflichten (der mit Netrebko bereits in Dresden als Lohengrin unter Christian Thielemann auf der Bühne stand). Aber auch mit diesen Namen wird bzw. ist der Abend kein Erfolg, die Regie ist einfach zu schwach und nur ansatzweise vorhanden. Da hilft auch keine Ausstattung von Neo Rauch & Rosa Loy – ein bildender Künstler ist eben noch lange kein Bühnenbildner, das hat man ja bereits beim neuen Münchner „Parsifal“ in der Ausstattung von Georg Baselitz feststellen müssen. Das ist eben doch nur ein (guter) Marketing-Coup. Aha. Glückwunsch.
Rauch und Loy haben den Chor in Kostüme gesteckt, die eine Melange aus spanischer Inquisition und irgendetwas Flämischen (van Dyck? Rembrandt?) sind, dazu Spitzbärtchen geklebt und einen Rundhorizont mit dramatischer Wolkenlandschaft gemalt. Blau ist die dominierende Farbe, sowohl bei den gemalten Prospekten, als auch bei den Kostümen und der Haartracht. In der Mitte steht eine nicht funktionierende Trafostation, aber kaum erscheint Lohengrin in seinem (typisch für Rauch!) Blaumann, so blitzt die Elektrizität wieder auf – Lohengrin als Heilsbringer, Lohengrin als Stromerzeuger – Eintritt in eine neue Ära. Der erste Aufzug erinnert an die Ästhetik eines Filmsets von Tim Burton. Richtig albern wird es allerdings, wenn Telramund und Lohengrin (bzw. deren Doubles) mit ihren Insekten-Flügeln sich in die Lüfte erheben um zu kämpfen. Lohengrin reisst Telramund den Flügel aus und pinnt diesen ins Rauch’sche Bühnenbild. Der zweite Aufzug versinkt förmlich in Düsternis und hin- und herfahrendem Schilf (aha, wir befinden uns am Ufer der Schelde….), einer dieser fahrenden Büsche erinnert stark an einen Cupcake und irritiert mich deshalb fortwährend, auch Ortrud und Telramund sind irgendwie drapiert und wirken hilflos in diesem sich permanent bewegenden Gebüsch, das ist irgendwie unfreiwillig komisch. Im dritten Aufzug dann endlich etwas Farbe, das Brautgemach in gleissendem Orange (samt riesigem Sextoy an das Elsa gefesselt wird – kein Wunder will sie diesen Lohengrin wieder los werden und stellt die Frage, die nie gestellt werden darf….) und zum Schluss der auftauchende verschollene Bruder Gottfried als Berliner Ampelmännchen (oder was auch immer….).
Wäre da nicht das wunderbar frische und strahlende Dirigat von Christian Thielemann und die den ganzen Abend alles überragende Waltraud Meier als Ortrud – es wäre zum Verzweifeln. Beczala als Lohengrin ist nicht ganz nach meinem Geschmack, zu süsslich und zu wenig Held, häufig zu operettenhaft – die Gralserzählung im 3. Aufzug ist jedoch wundervoll und nimmt den Zuschauer sehr gefangen. Tomasz Konieczny als Telramund ist sehr textunverständlich und etwas blass, von Anja Harteros als Elsa war mehr zu erwarten, aber insgesamt liegt es natürlich auch daran, dass die Regie die Sänger wohl ziemlich alleine gelassen hat, einzig Waltraud Meier hat die Chance ergriffen und selbst etwas daraus gemacht. Das mittlerweile hörbar Brüchige in Ihrer Stimme passt ganz hervorragend zu ihrer dämonischen Ortrud, ihre Szenen sind die grossen Momente an diesem Abend. Solide, aber eher unauffällig: Georg Zeppenfeld als König Heinrich und Egils Silins als Heerrufer. Der Chor steht zumeist zweigeteilt links und rechts sehr statisch und etwas planlos auf der Bühne, wackelt etwas mit den Händen oder bleibt im „Freeze“ und erinnert irgendwie an die hausbackenen ollen Regie-Kamellen eines Wolfang Wagner. Während die Mäuse/Ratten-Konzeption von Neuenfels beim letzten Bayreuther „Lohengrin“ schlüssig und sehr spannend war, fragt man sich schon, was das alles soll? Insekten? Motten? Dicke Käfer? Nette Idee, netter Ansatz – nichts daraus gemacht…
Ob es die viel beschworene „Werkstatt Bayreuth“ noch gibt? Das wäre gut, denn an dieser Produktion muss man noch sehr viel arbeiten, damit es in den kommenden Jahren ein einigermassen spannender Abend wird…
Ich glaube die Fragestellung „Bin ich (immer noch) ein Wagnerianer?“ in meiner Kolumne vom 29.07.2018 beantwortet sich langsam…
„Lohengrin“ von Richard Wagner (1813-1883).
5 Kommentare