Schwerpunkt des Tonhalle Orchesters in dieser Saison ist der „Kosmos John Adams“ – von ihm gibt es absolut spannende Musik zu entdecken, „City Noir“ bildet den Auftakt zu einer Vielzahl an Konzerten des Tonhalle Orchesters Zürich mit den unterschiedlichsten Werken des wohl bekanntesten zeitgenössischen Komponisten Amerikas (neben Philip Glass)…
„City Noir“ wurde 2009 in Los Angeles unter Gustavo Dudamel uraufgeführt, klingt immer noch sehr modern und kommt mit grosser Wucht und Strahlkraft des Tonhalle Orchesters in einer Riesen-Besetzung daher, man staunt alleine schon über den immensen Aufbau des Schlagwerks und seiner Musiker, von denen man während des Konzerts fast den Blick nicht lassen kann, aber es gibt noch so vieles mehr zu hören und zu sehen. Adams schuf mit diesem Werk einen Soundtrack zu einem imaginären Film und man spürt förmlich den Puls einer Stadt. Da gibt es neben Free-Jazz-Klängen eine Fülle an Farben und Sounds zu hören, die Fraktion der Blechbläser – ergänzt ums Saxophon – fegt in den Saal zur leider leider sehr spärlich besetzten Zuhörerschaft mit viel Bombast und herrlichen Soli-Passagen der Trompeter. Diese Musik bietet alles, was eben auch eine Stadt zu bieten hat, von üppigen Kantilenen (um einmal mehr diese abgedroschene Phrase zu benutzen) bis hin zu treibenden Beats. Hier wird unter der Leitung von ROBERT TREVINO auf sehr hohem Niveau musiziert. John Adams versucht in diesem Werk mit einem Mix aus Klassik und Jazz das typische Wesen des „Film Noir“ einzufangen – die starken Kontraste der „Hell-Dunkel“-Einstellungen.
John Adams (*1947): „City Noir“ für Orchester – Edward Elgar (1857 – 1934): Sinfonie Nr. 1 As-Dur op. 55
Nach kurzem Umbau, ohne Pause, geht es dann weiter mit Edward Elgars Sinfonie Nr. 1 in As-Dur, die für mich ebenso stark filmisch daherkommt und dennoch einen wunderbar gegensätzlichen Programmpunkt zu „City Noir“ von Adams bildet. Beim zweiten Satz hat man das Gefühl, sich mitten im Soundtrack zum neuen Star Wars Film zu befinden, natürlich ist dies unverkennbar Musik der Romantik, dennoch verzichtet es bis auf einige pathetische Momente auf allzu grossen Wagner-Kitsch und allzu grosse Sentimentalität. Das Hauptthema, mit dem das Werk auch beginnt, taucht immer wieder in den unterschiedlichsten Variationen auf, als Zuhörer fühlt man sich durch das Werk getragen und „Zuhause“. Bei Elgar bekomme ich immer royale Gefühle und Anwandlungen und habe sofort immer „Land of Hope and Glory“ aus Pomp and Circumstance im Ohr (und vor Augen die Queen winkend in einem Logen-Balkon). Auch seine Sinfonie Nr. 1 hat für mich stellenweise diesen höfischen, königlichen Pathos, ohne ins übertrieben Kitschige zu kippen. Herrlich das Adagio und fulminant dann die Schluss-Apotheose, bei der man als Zuhörer fast vergisst zu atmen. Trevino hat mich zusammen mit Martin Grubinger bereits 2019 in der Tonhalle MAAG begeistert („Sieidi“/Aho und „Ein Heldenleben“/Strauss). Auch bei diesem Konzert mit der Musik von Adams und Elgar bildete er gemeinsam mit dem Tonhalle Orchester eine einzige lebende, pulsierende und gemeinsam atmende Einheit, mit grossem Gestus führt er die Musiker durch diese zwei packenden Werke. Bravi! Ein wunderbarer Auftakt zur Reise in den Kosmos John Adams.
Zuletzt besuchte Konzerte:
Storgårds/Gabetta – Weber/Elgar/Brahms – Tonhalle Zürich 07.01.2022
Janowski/Müller: Strauss/Wagner – Tonhalle Zürich 09.12.2021
Bartoli/Fagioli/Capuano – Tonhalle Zürich 22.11.2021
Järvi/Schmitt: Dubugnon/Connesson/Saint-Saëns – Tonhalle Zürich 24.09.2021
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Patricia Kopatchinskaja/LFCO: Bye Bye Beethoven – Lucerne Festival 04.09.2021
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Ein deutsches Requiem – Oper Zürich/Noseda (livestream) 07.02.2021
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Tolle Rezension. Das muss ein tolles Konzerterlebnis gewesen sein.
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Ja, das war es. Ich war ganz geflashed! John Adams ist wirklich ein interessanter Komponist, im März dirigiert er selbst hier in Zürich seine Werke, darauf freue ich mich sehr! herzlichst aus Zürich! A.
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