Ein aussergewöhnliches Fundstück ist das dünne Bändchen „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ des koreanischen Autors Kim Young-Ha, zwar als Roman bezeichnet, aber wohl eher eine absolut gelungene Reflektion zu den Themen Leben und Tod. Und natürlich – wenn man so will – auch ein interessanter und ungewöhnlicher Krimi…
Kim Young-Ha ist in Süd-Korea der Star seiner Generation, beim Erscheinen der „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ wurde der Roman 2013 über 200000 mal verkauft und zog mehr als zweieinhalb Millionen Menschen in die Kinos, denn der Stoff wurde verfilmt. Das kann man sich sehr gut vorstellen, der Plot bietet einiges und ist in seiner Form wirklich aussergewöhnlich. Kein Wunder also, wurde die deutsche Übersetzung bereits mehrfach ausgezeichnet und von der Kritik überschwänglich besprochen.
Tierarzt Byongsu Kim (70) ist »pensionierter« Serienmörder. Er verbringt seine Zeit damit, Klassiker zu lesen und Gedichte zu schreiben. Kurz nachdem er in seinem Viertel einem Mann begegnet, den er als seinesgleichen erkennt, wird bei ihm beginnende Demenz diagnostiziert. Um seine Tochter zu beschützen, plant der alte Mann, mit seinem schwindenden Gedächtnis kämpfend, einen letzten Mord. (Cass Verlag)
Der Roman verzichtet auf jeden Pathos, die Geschichte berührt dennoch und hebt sich ab vom üblichen Serienmörder-Gemetzel. Im Verlauf der Handlung verdichten sich die Ereignisse, man glaubt einer stringenten Handlung zu folgen, dennoch bleiben Zweifel. Als Leser ist man sich zuletzt nicht wirklich sicher, was Fiktion, was Realität, was die ganz eigene Welt eines Demenzkranken ist. Der immer stärker werdende Gedächtnisverlust macht der Handlung einen Strich durch die Rechnung. Gleichzeitig ist es auch eine interessante Beschreibung dieser Erkrankung, man nimmt teil und sieht zu, wie sich Byongsu Kim aus dem Leben davonschleicht. Eine interessante Lektüre in vielerlei Hinsicht.
„Aufzeichnungen eines Serienmörders“ von Kim Young-Ha, 2020, Cass Verlag, ISBN: ISBN 978-3-944751-22-1 (Werbung)
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Bin gespannt und werde mal hineinlesen. Wenn der Roman nur ein wenig diese seltsame Atmosphäre Seouls einfängt, werde ich begeistert sein!
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Hello – der Roman fängt weniger die Atmosphäre Seouls ein, vielmehr ist es eine interessante Beobachtung des Dahingleitens, Wegdriftens bei einer Demenzerkrankung und in Kombination als Krimi finde ich das einen super Plot. Von Korea selbst erfährt man relativ wenig. Ich fand es aber eine super Entdeckung! Herzlichst aus Zürich. A.
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Danke nochmals für den Tipp. Hab’s gelesen und es hat sich wirklich sehr sehr gelohnt! Frohes Neues Jahr übrigens! Gesundheit und Glück!
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Gleichfalls! Ja, Gesundheit in diesen Tagen wohl das Wichtigste! Glück kann man immer brauchen! Habe Deine Meinung dazu sehr interessiert gelesen! Auf in ein neues Lesejahr! Herzlichst aus Zürich. A.
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wieder ein interessanter Hinweis. Herzlichen Dank.
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Hello – also das kann ich wirklich empfehlen, ein kleines Bändchen, aber ich fand das sehr interessant, weniger wegen dem Krimi, eher wegen diesem Versinken des Protagonisten in der Demenz. Herzlichst aus Zürich. A.
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