Maxim Biller – Der falsche Gruss.

Der deutsche Schriftsteller und Kolumnist Maxim Biller ist äusserst produktiv und nicht unbedingt medienscheu, im August ist sein Roman „Der falsche Gruss“ bei Kiepenheuer & Witsch erschienen: amüsant, bissig, voller Zynismus. Und sehr zu empfehlen…

Irgendwie fragt man sich schon, was „Der falsche Gruss“ denn nun ist, ein Roman ist es nicht wirklich, lesenswert ist es allemal. Maxim Biller war für mich bisher immer nur der streitlustige, eher unsympathische Typ aus der Literatur/Kritiker/Autoren-Blase, von dem ich mir immer gesagt habe, ich mag nichts von ihm lesen. So grundsätzlich. Nun habe ich es doch getan und bin ganz angetan von seinem Text. Auf nur 121 Seiten werden dabei eine immense Bandbreite an Themen verhandelt, vom Holocaust, über die DDR, vom Nationalsozialismus bis zu diversen Israel-Konflikten, von persönlichen Liebesdingen bis hin zum Erfolgsdruck von Autoren, Bezugnahmen und Zitate inklusive.

Erck Dessauer, der Held und Erzähler dieses Romans, ist jung, begabt und bereit, ein großer Schriftsteller zu werden. Leicht ist das nicht im Berlin der Nullerjahre, denn eingeschworene Cliquen teilen die Macht unter sich auf, und Missgunst ist ein anderes Wort für Glück. Und besonders einer scheint es auf Erck abgesehen zu haben.Ercks Vater wurde zweimal verlassen: einmal von seiner Ehefrau. Und einmal von der DDR. Beides hat der Professor aus Leipzig nicht verwunden. Erck ist mit diesem Schmerz groß geworden, aber Aufgeben ist seine Sache nicht. Als er beim besten Verlag der Republik einen Buchvertrag unterschreibt, ist er fast am Ziel. Wäre da nur nicht dieser Hans Ulrich Barsilay mit seinem extravaganten Auftreten, seinen schönen Ex-Freundinnen, seiner perfekten Prosa und seiner Gewissenlosigkeit. Das Problem: Er ist beim selben Verlag. Und vieles deutet darauf hin, dass er versucht, Erck sein Thema zu stehlen. Höchste Zeit, ihm mit einer Intrige zuvorzukommen. (Verlag Kiepenheuer & Witsch)

„Der falsche Gruss“ erzählt auf heitere, bissige, ironische Weise von der unbedingten Lust, zum Literaturbetrieb gehören zu wollen, einer von denen zu sein, auf der Seite der erfolgreichen deutschen Autoren. Dies setzt natürlich eine gute Kenntnis des Literaturbetriebs und vor allem der Berliner Autorenszene voraus. Und genau so liest es sich auch. Ein Abbild der Realität. Das macht das grosse Vergnügen aus, an diesem eher dünnen Bändchen und es macht grosse Lust, sich mit weiteren Werken von Maxim Biller zu beschäftigen. Seine Schreibe finde ich wunderbar. Das ist Literatur, die mir sehr gut gefällt.

„Der falsche Gruss“ von Maxim Biller, 2021, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3-462-00082-5 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Verlag Kiepenheuer & Witsch sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

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14 Kommentare

  1. Alexander Carmele

    Sehr erfrischend, den Text auf diese Weise zu betrachten. Ich fand ihn, für meinen Teil, zu gehässig und deshalb auch formal zu leichtgewichtig. Sich jemanden zu konstruieren, der so lächerlich wie Erck Dessauer ist, und dann alles auf ihn loszulassen, worüber man gerade nachdenkt … naja. Mir fehlte da ein wenig die Herausforderung. Dennoch, nach dem Lesen dieser Rezension erweitere ich mein Meinungsbild etwas. Viele Grüße.

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    1. arcimboldis_world

      Lieber Alexander – genau. Das finde ich auch das schöne an so vielen Büchern, jeder liest sie anders und es gibt kein allgemein gültiges Urteil. Wer will sich das anmaßen? Finde es immer wieder spannend, auch die Meinungen von anderen zu lesen. In diesem Sinne grüsse ich Dich herzlichst aus Zürich. A.

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