PLAY/Alexander Ekman/Ballet d‘opera de Paris – Palais Garnier 10.10.2021

Alexander Ekmans Debüt an der Opéra de Paris wurde 2017 mit grosser Spannung erwartet und die Premiere von „PLAY“ für ihn zum Triumph. Zu Recht, denn sieht man diese Produktion, kann man nur im Superlativ davon schwärmen. „PLAY“ ist definitiv eine der interessantesten Ballettproduktionen, die ich je gesehen habe…

Im Grunde genommen ist es ganz simpel: Der Mensch ist ein (glücklicher) Mensch, wenn er spielen kann, dann hat er Freude, lebt, blüht auf. Sobald die triste Alltagsmaschinerie ihn in Beschlag nimmt und er in einem Räderwerk zu funktionieren hat, wird die Welt grau und monoton, lieblos, tot. In wundersamen und fantasievollen Bildern und tableaux vivants sehen wir auf der Bühne den krassen Gegensatz – vor der Pause lustvolles Spielen, fantasievolle Träumereien und Kinderwünsche ziehen an uns vorbei – ein Astronaut, ein herrliches Brautkleid, gespenstische Geisterwesen. Frei und sorglos ist man dennoch nicht, die Überwachung geschieht durch die Karikatur einer Gouvernante, die herrlich humoristisch immer wieder buchstäblich für Ordnung auf der Bühne sorgt. Das Leben ist bunt oder – einer der fantastischsten Bühnenmomente ever seen – eben ein Regenguss aus Tausenden von grünen Bällen, die sich über die Bühne in den Orchestergraben ergiessen und in denen lustvoll gebadet und gespielt werden kann. Kein Wunder ging der Trailer mit diesem aufregenden Moment des Ballregens weltweit viral und begeistert immer noch. Ein wahrlich grosser Theatermoment – man sitzt und staunt mit offenem Mund. So muss Theater, so kann Ballett sein! Ein grosser, ruhiger Moment in diesem Spielplatztrubel des ersten Teils: der Einzug majestätisch schreitender Tänzerinnen auf Spitze mit Helmgeweihen, was für eine umwerfende Ästhetik, wie Kämpferinnen kommen sie daher, stolz, würdevoll, dominant – hierzu trägt sicherlich die grossartige Musik von MIKAEL KARLSSON bei, die sämtliche Stimmungen des Abends hervorragend aufnimmt, aber auch prägt, jedoch nicht nur untermalt, sondern eigenständig verstärkt. Ekman, der auch sein eigener Ausstatter ist und diese wundersame Welt erschuf, platziert die grosszügig besetzten Musiker samt (Gospel)Sängerin CALESTA „CALLIE“ DAY im Hintergrund auf einer die ganze Bühne überziehenden Podesterie und somit allseits präsent. Nach der Pause dann das krasse Gegenteil zum fröhlichen und unbeschwerten Spiel – die Szenerie wirkt wie tot, das Leben ist grau, wird nur noch monoton abgespult, man ist erwachsen und funktioniert, die Tänzer wühlen lustlos im grünen Bälle-Meer des ersten Teils. Zwar gibt es noch ab und zu ein Aufblitzen der Kindheitsträume, jedoch wirken sie leer, leblos, entseelt. Alles wiederholt sich sinnentleert, die Leichtigkeit ist verloren, eine dunkle Schwere lastet über allem. Werden wir alle zu Maschinen, haben wir als Erwachsene verlernt zu spielen, spielerisch durchs Leben zu gehen? Das ist die grosse Frage, die uns Ekman stellt und uns beim grossen Finale dazu aufruft wieder Kind zu sein – nach den Bows und einem Solo von Callie Day im Gold-Lamée divenhaft an der Rampe, fliegen uns im Saal riesengrosse Ballons um die Ohren, der Saal erwacht, beginnt zu spielen, beginnt zu leben, es wird laut und turbulent.

Was für ein Ereignis im grossen und ehrwürdigen Saal des Grand Palais unter dem schönen Plafond Marc Chagalls. Völlig beseelt und aufgeputscht von dieser wundervollen Produktion stellt man sich dann sofort die Frage, wo sonst auf dieser Welt man etwas von Alexander Ekman sehen kann – und sogleich herrscht grosse Freude: Das Theater Basel zeigt noch in diesem Herbst 2021 eine Wiederaufnahme von Ekmans „COW“: Na, dann nichts wie hin….

Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:

Marina Otero: FUCK ME – Zürcher Theater Spektakel 28.08.2021

Walking Mad – Ballett Zürich 22.05.2021 (Clug/Inger)

Impulse – Juniorballett Zürich Premiere (livestream) 27.02.2021 (Davidson/Arias/Nunes)

Gala d’ouverture/Ballet – Opéra national de paris (livestream) 30.01.2021

Sadler’s Wells Global Gala – (Stream) 05.12.2020

Basso Continuum/7 Danses Greques – Béjart-Ballett – Opéra de Lausanne 11.10.2020

Forsythe – Ballett Zürich 07.02.2020

„Grand Finale/Hofesh Shechter Company – Theater Winterthur 20.12.2019 (H. Shechter)

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