Man kann sich wirklich sehr glücklich schätzen, wenn man eine der 50 Tickets pro Vorstellung des neuen Ballettabends „Walking Mad“ des Ballett Zürich ergattern konnte. Die etwas eingedampfte Version mit nun 2 statt der ursprünglich geplanten 3 Stücke von Christian Spucks immer wieder grossartiger Truppe ist ein Erlebnis, alleine schon deshalb, weil man nach den langen Monaten des coronabedingten Wartens dankbar ist für jede Live-Vorstellung in einem Theater…
So wie einen Tag zuvor bei der herrlichen „Intermezzo“-Vorstellung im Theater Basel, fühlt es sich auch im Parkett des Zürcher Opernhauses seltsam an, in diesen ausgedünnten Reihen mit jeweils 2 freien Plätzen zwischen sich und seinem nächsten Sitznachbarn. Das sind die Zeichen der Zeit, wir gewöhnen uns daran und ein Licht am Ende des Pandemie-Tunnels ist in Sicht. Den Abend eröffnet „Chamber Minds“, eine Choreographie EDWARD CLUGs, die Ballettsuite von MILKO LAZAR (mit dem Clug regelmässig zusammenarbeitet) wird live aus dem Graben gespielt von ADA PESCH (Violine) und NAOKI KITAYA (Cembalo). In sportlich angehauchten Kostümen (LEO KULAŠ) begegnen sich wie zufällig verschiedene Paarungen, bevor sie wieder auseinander gehen, ihre Begegnungen manifestieren sich in interessanten Bewegungsabläufen, Körper verbiegen sich gummiartig, Arme und Beine bieten Halt und Stütze, geben nach, ergehen sich in fast schon mechanischen Bewegungsabläufen, das sieht sehr einfach und leichtfüssig aus, im nächsten Moment kraftvoll und stark. Gliedmassen verrenken und verhaken sich, finden zurück zu ihrer Balance. Pax de deuxs entstehen wie zufällig. Es hat etwas Absurdes, man wartet, hat das Gefühl, dass sich gerade der Hauch einer Handlung entwickelt haben könnte und schon ist es vorbei. Das Setting besteht aus einem weissen Raum, der durch sich auf und abwärts bewegende Saiten sehr präsent ist und den Zuschauer dazu verleitet, dies zu interpretieren. Fehlanzeige, sieht einfach interessant aus.

Für die Pause wurde man im Vorfeld angewiesen, sitzen zu bleiben, hat aber dafür die Möglichkeit einen offenen Umbau auf das nächste Stück zu verfolgen. Was folgt, ist dann eine komplett andere Bewegungssprache – den zweiten Teil des Abends bildet die Signature-Choregraphie von JOHAN INGER: „Walking Mad“, 2001 vom NDT uraufgeführt und seitdem von vielen Kompanien weltweit gezeigt. Für das Ballett Zürich ist dies die erste Zusammenarbeit mit dem schwedischen Choreographen. Ein Fremder in Hut und Mantel steigt aus dem Graben auf die Bühne und gerät in ein zu Beginn rätselhaftes Geschehen mit teils drastischen und sehr starken Bildern. Dominierend auf der Bühne eine grosse bewegliche Bretterwand, die teilt, aber auch als verbindendes Element dient. Es geht um unterschiedliche Beziehungen mehrerer Frauen zur Männerwelt. Ist dies das Thema? Kurz blitzen auch Momente auf, die an Gewalt und Missbrauch denken lassen, aber vielleicht liegt es auch daran, dass man heutzutage sehr schnell eine Handlung damit assoziiert. Bereits ab dem ersten Moment, als lautstark die Bretterwand auf den Fremden zurast, nimmt den Zuschauer das Geschehen vollends gefangen. Das liegt natürlich auch an der Musik: Ravels Bolero, der bereits von unzähligen Choreographen verarbeitet wurde, versprüht auch hier seine fast schon magische Energie die sich in einem kraftvollen Taumel des Ensembles entlädt, bevor am Schluss – fast schon wie ein Nachhall, wie eine Traumsequenz – das Stück sich leise mit Arvo Pärts „Für Alina“ verabschiedet und Raum lässt für langanhaltenden Applaus von 50 begeisterten Zuschauern. Was für ein Glück, dass man derartige Momente nun wieder erleben darf!
Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:
Impulse – Juniorballett Zürich Premiere (livestream) 27.02.2021
Gala d’ouverture/Ballet – Opéra national de paris (livestream) 30.01.2021
Sadler’s Wells Global Gala – (Stream) 05.12.2020
Basso Continuum/7 Danses Greques – Béjart-Ballett – Opéra de Lausanne 11.10.2020
Forsythe – Ballett Zürich 07.02.2020
„Grand Finale/Hofesh Shechter Company – Theater Winterthur 20.12.2019 (H. Shechter)
„Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ – Ballett Zürich 10.11.2019 (Christian Spuck)
„Romeo und Julia“ – Ballett Zürich 22.06.2019 (Christian Spuck)
„Kreationen“ – Juniorballett Zürich 21.05.2019 (Portugal/Stiens/Montero)
„b.39“ – Ballett am Rhein Düsseldorf 02.05.2019 (H. van Manen/M. Chaix/M. Schläpfer)
„Don Quixote“ – The Royal Ballet London 30.03.2019 (Carlos Acosta nach Petipa)
Stück für Stück und hoffe bald für alle🦋
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Ja! Ein Licht am Ende des Corona-Tunnels! Man sieht es jetzt!
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Ich wäre auch gerne so optimistisch. Für mich ist das hier noch lange nicht zu Ende. In Indien geht es noch viel zu schlimm zu. Der Virus mutiert.
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