Nach 11 sehr produktiven Jahren in Zürich verabschiedet sich CHRISTIAN SPUCK mit einer letzten Choreographie von seinem Publikum, seinem Ensemble, seiner grossartigen Zusammenarbeit mit der Philharmonia Zürich. „On the Move“ ist ein treffender Titel für diesen Abend, denn Spuck bricht auf nach Berlin und übernimmt dort die Intendanz des Staatsballetts. „On the Move“ ist aber auch die erste der drei Arbeiten dieses Triptychons, es ist ein Stück von 1992 des grossen Choreographen HANS VAN MANEN, Spucks Stück „Lontano“ bildet das Finale, mein persönliches Highlight ist jedoch das sehr spezielle Short-Piece als Mittelteil des Programms: „Tal“ von LOUIS STIENS….
Nebst den drei grossartig getanzten Stücken ist „On the Move“ aber auch musikalisch hervorragend gelungen, es macht grosse Freude die Philharmonia Zürich mit der temperamentvollen in Zürich debütierenden Dirigentin ALEVTINA IOFFE zu hören. Bereits Prokofievs Violinkonzert Nr. 1 D-Dur (Violine: Hanna Weinmeister) bei van Manens „On the Move“ macht glücklich. Das Stück selbst zeigt was der Titel verspricht, sieben Paare in Bewegung, sowohl als Gruppe, aber auch mit vielen Pas de deuxs, geschmeidig arrangiert, virtuos choreografiert und getanzt – alles fliesst, ist ständig in Bewegung. KESO DEKKERs Kostüme verstärken diesen kraftvollen Fluss, der mit der Musik choreografiert ist und eine Einheit bildet. Ein wundervolles Opening des dreigeteilten Abends.

Im Anschluss gibt es eine Uraufführung von Louis Stiens zu sehen, dessen Choreographie „Wounded“ bereits in Zürich zu sehen war. Seine neue Arbeit „Tal“ ist eine Mischung aus grandios ausgeleuchtetem Kunstobjekt (das ein wenig an den Berg-Ausschnitt einer Modelleisenbahn erinnert… – Ausstattung: BETTINA KATJA LANGE/Licht: MARTIN GEBHARDT) und speziellen Moves der Solisten in hautengen fleischfarbenen Bodysuits. Meine Assoziationen reichen von nackten blinden Tieren in tiefliegenden Höhlen bis hin zu eher unangenehmen Geschöpfen der Nacht. Die Skulptur wird bespielt, es wird gekrochen, gewimmelt, gerobbt, gerutscht und bewegt in vielen Slow-Motion-Sequenzen unterstrichen von spannungsgeladenen Musiken von Debussy und Ravel. Man ist fasziniert und kann es doch nicht fassen, was das ist. Es ist etwas Neues und Aufregendes. Diese Arbeit muss man unbedingt gesehen haben!

Und als Abschluss dann die letzte Arbeit von Christian Spuck, in deren Mittelpunkt das wunderbare namensgebende Stück „Lontano“ von György Ligeti steht. Es geht um Distanz, Abschied, Sich-Entfernen. RUFUS DIDWISZUS hat hierfür einen begrenzten Raum geschaffen, dessen Plafond über allem schwebt und sich fortlaufend doch leicht verändert. Einmal mehr schafft Spuck seine ganz eigene erkennbare Ästhetik im Raum und in der Bewegung. Es ist ein eher ruhiger, feiner, ja fast schon leiser Abschied den wir hier sehen, wie der ganze Abend konzeptionell eher ungewohnt still und ruhig, ja fast schon melancholisch daherkommt. Und dabei erinnert man sich dann an die vielen wundervollen Produktionen der letzten Jahre, natürlich Christian Spucks Arbeiten, aber auch die unglaublich vielen Möglichkeiten junge und hochinteressante neue Choreographen mit ihren Arbeiten hier in Zürich zu entdecken. Alles in allem eine grossartige Ensemble-Leistung des Zürich Balletts samt Junior-Ballett – besonders erwähnenswert und mehrfach herausstechend jedoch DANIEL MULLIGAN. „On the Move“ ist sehenswert und unbedingt hörenswert. Eine tolle gemeinsame Arbeit des Zürich Balletts mit der PHILHARMONIA ZÜRICH. Bravi!
Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:
Giselle – Theater Basel 15.01.2023
Il lago dei cigni (Schwanensee) – LAC Lugano 10.12.2022
Nachtträume/Marcos Morau – Ballett Zürich 09.10.2022
Dornröschen – Ballett Zürich 06.06.2022
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Monteverdi – Ballett Zürich 04.02.2022
COW/Alexander Ekman – Theater Basel 21.11.2021
Double Murder/Hofesh Shechter Company – Théâtre du Châtelet Paris 13.10.2021
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