Der französische Choreograph (mit albanischen Wurzeln) ANGELIN PRELJOCAJ zeigt im LAC Lugano mit seiner Kompanie an zwei Abenden eine dystopische Fassung von Tschaikovskys „Schwanensee“ – grossartig!
In Preljocajs Fassung bleibt zwar der märchenhafte Charakter erhalten, er verlegt die Handlung jedoch in die Chefetagen der Industrie und Finanzwelt, es geht um Ökologie und die Verdrängung des natürlichen Lebensraumes der Schwäne – das ist stellenweise eindringlich und zu guter Letzt im Finale äusserst bewegend. Einige Figuren des Originals sind noch vorhanden: Der König (SIMON RIPERT) und seine Gattin (ZOË MCNEIL) leiten ein Imperium, der Sohn Siegfried (LAURENT LE GALL) soll es wohl übernehmen, hat aber keine Lust dazu. Der dämonische Gegenspieler Rothbart (REDI SHTYLLA) und seine Kumpanen in schwarzen Ledermänteln tragen faschistoide Züge, bringen den weissen Schwan Odette (THÉA MARTIN) in ihre Gewalt. Die Schwäne sind (wohl weibliche) Geiseln des männlichen Patriarchats. Die Rettung durch Siegfried – der sich dem Materialismus seiner Familie widersetzt – ist nicht möglich, er verfällt Odettes dunkler Version Odile. Sämtliche Bauvorhaben werden umgesetzt – das Ende ist bitter, sämtliche Schwäne, auch Odette, verenden in einem starken Schlussbild vor der übermächtigen Industrie. Preljocais Version macht betroffen und bietet neben grossartigem abwechslungsreich choreografiertem Tanz auch äusserst starke Bilder und Videos von BORIS LABBÉ (bis auf ein paar Sequenzen, die für meinen Geschmack etwas esoterisch daherkommen…). Es wird choreografisch viel zitiert und trotz dieser Neuinterpretation hat man als Zuschauer immer noch das Gefühl, Tschaikovskys Meisterwerk zu sehen. Zusätzlich zu den Originalmusiken gibt es tolle elektronische Musik und sphärische Klänge des KOLLEKTIV 79D zu hören. Das grosse Pax de deux von Théa Martin und Laurent Le Gall inmitten der Schwäne ist wundervoll, die vier jungen Schwäne kommen als sexy Persiflage daher, köstlich mit den überbetont schwingenden Hüften, als wäre es ein Bauchtanz. Das Finale macht betroffen, das Publikum ist sehr bewegt und begeistert – ein etwas anderer „Schwanensee“. Absolut sehenswert!
Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:
Nachtträume/Marcos Morau – Ballett Zürich 09.10.2022
Dornröschen – Ballett Zürich 06.06.2022
Peer Gynt/Edward Clug – Ballett Zürich 26.05.2022
Ruß – eine Geschichte von Aschenputtel – Badisches Staatstheater Karlsruhe 30.04.2022
Angels‘ Atlas – Ballett Zürich 08.04.2022
Hofesh Shechter: Uprising/In your Rooms – Ballet de l’opéra national de Paris 27.03.2022
Monteverdi – Ballett Zürich 04.02.2022
COW/Alexander Ekman – Theater Basel 21.11.2021
Double Murder/Hofesh Shechter Company – Théâtre du Châtelet Paris 13.10.2021
PLAY/Alexander Ekman/Ballet d’opéra de Paris – Palais Garnier 10.10.2021
Marina Otero: FUCK ME – Zürcher Theater Spektakel 28.08.2021
Schade, das hätte ich gern vorher gewusst, um eine der zwei Aufführungen zu besuchen. Klingt fantastisch!
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Ja, schade, eine wirklich sehenswerte Produktion, aber immer noch zu Gastspielen unterwegs. Bist du im Tessin? Die haben ganz interessante Produktionen im LAC….. herzlichst aus Zürich! A.
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Ich wohne bei Varese, arbeite im Tessin, Lugano liegt recht günstig für uns. Stimmt, habe ein bisschen im Programm gestöbert. Interessant! LG Anke
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Lovely! And moreover: I love Tschaikovsky. His music is so romantic, so „pathetic“…
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Yes. His music is so gay….. 🙂
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