Der Rosenkavalier – Luzerner Theater 15.02.2023

Gleich vorneweg und auf den Punkt gebracht – die Neuinszenierung von Strauss‘ „Der Rosenkavalier“ am Luzerner Theater ist eine Wucht! Grosse Oper an kleinem Haus. So geht Musiktheater heutzutage! Grossartig!

Nachdem ich den „Rosenkavalier“ so oft gesehen habe (vom „Klassiker“ von Otto Schenk, Kindermann, Everding bis hin zur Zürcher Inszenierung von Sven-Eric Bechthold oder zuletzt Barrie Koskys Version in München) ist diese etwas eingedampfte, leicht gekürzte, den Gegebenheiten des Luzerner Theaters (480 Sitzplätze) angepasste Version etwas ganz Spezielles und unbedingt Sehenswertes. Befreit vom opulenten 90-Mann-Orchester wird die für eine „kleine“ Besetzung neu arrangierte Fassung von EBERHARD KLOKE gespielt. Kloke, der mir bis anhin nur als Dirigent bekannt war (ich erinnere mich noch sehr gern an die aufregenden Zeiten mit ihm als GMD in Nürnberg, lang ist es her…), hat eine Fassung geschaffen, die das Stück stark akzentuiert und dem Stück eine ungewohnte Schärfe gibt, die ihm gut tut. Die amerikanische Regisseurin (und Luzerner Operndirektorin seit 2021/22) LYDIA STEIER zeigt mit ihrem Co-Regisseur MATTHIAS PIRO einen erfrischenden, witzigen, absolut amüsanten Strauss-Abend, den man lange in Erinnerung behalten und nicht vergessen wird. Das ist nicht jedermanns Sache und so leert sich in der ersten Pause auch bereits der Saal, dabei wissen diese Menschen nicht, was ihnen noch entgeht. Die allgegenwärtige Kammerzofe Mariandl (VALÉRIE JUNKER – wunderbar weise und allwissend und fast durchgehend 3.5 h mit Zigarette und Joint in der Hand auf der Bühne) übernimmt als strippenziehender Amor eine prägende Rolle und führt den Zuschauer quasi durch die Handlung. Im Grunde ist dieser „Rosenkavalier“ eine einzige Betrachtung über die Zeit, die Vergänglichkeit und wie sich doch alles immer wiederholt, denn während zu Beginn Octavian (SOLENN‘ LAVANANT LINKE) und die Marschallin (TINEKE VAN INGELGEM eingesprungen für die erkrankte Eyrún Unnarsdóttir) sich im Planschbecken mit Wasserspielen vergnügen, sind es im Finale Sophie (TANIA LORENZO CASTRO) und Octavian – der Kreis schliesst sich. Dazwischen liegen gut 3 Stunden pures musikalisches Vergnügen und köstliches Regietheater. Die Figuren bewegen sich zwischen Rokoko und der heutigen Zeit, man hat keine Scheu vor grossen Gesten, alles macht so viel Sinn, klar und deutlich tritt das Libretto, die Handlung mit stark geschärften Konturen in den Vordergrund, die Musik habe ich selten so intensiv, klar und prägnant erlebt – wie wunderbar die grosse Betrachtung über die vergehende Zeit der Marschallin, fast nur mit reiner Klavierbegleitung, das ist ein komplett neues Hörempfinden diese All-Time-Klassikers von Richard Strauss. Was für ein Genuss. Das liegt am präzise aufspielenden LUZERNER SINFONIEORCHESTER unter der Leitung von ROBERT HOUSSART und einem exzellent besetzten Hausensemble samt Chor des Luzerner Theaters. Jede Figur ist präzise gearbeitet und teilweise zum Schreien komisch, häufig eher als schräge Karikatur: natürlich der polternde Ochs von Lerchenau – #metoo lässt hier ganz schön grüssen – von CHRISTIAN TSCHELEBIEW, JASON COX als Faninal, ANTONIA BOURVÉ als Leitmetzerin, witzig auch die Ton-Einspielung des Sängers im 1. Aufzug mit dem Luzerner Tenor-Lokalmatador MAURO PETER. Durch diese fast schon intime Produktion fühlt man sich mittendrin im Geschehen, dies wird noch verstärkt durch den im Zuschauerraum platzierten Chor im 3. Aufzug bei den „Skandal“-Rufen. Das Trio Sophie (Tania Lorenzo Castro), Octavian (Solenn‘ Lavanant Linke) und Marschallin (Tineke van Ingelgem) ist grandios, absolut bezaubernd, darstellerisch und musikalisch auf dem Punkt, das Schlussterzett und Duett bilden ein wundervolles Finale in dieser tollen Produktion. Bravi – Bravi – Bravi!! Wer noch die Möglichkeit hat: Hingehen!

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Ein Kommentar

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