Die sehr schöne Zürcher Produktion von Tschaikowskys „Eugen Onegin“ in der Regie von BARRIE KOSKY ist wieder im Spielplan, noch dazu mit BENJAMIN BERNHEIM als Lenski, nichts wie hin!
Koskys Arbeit, eine Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin, die in Zürich 2017 Premiere hatte, ist immer noch toll. In der grandiosen Ausstattung von REBECCA RINGST fühlt man sich sofort in die weite russische Pampa auf eines der zahllosen Landgüter der Adligen versetzt, fernab der Metropole Moskau. Da verwundert es nicht, wenn sich gelangweilte Mädchen in den Nachbarn verlieben und nächtelang schwärmerische Briefe verfassen. Puschkins Nationalepos ist – nach wie vor – ein guter Stoff, Die Musik von Tschaikovsky immer wieder grandios und zutiefst bewegend. Für mich war schon immer klar, dass Lenski die schöneren Musiken hat als Onegin, wenn Benjamin Bernheim singt, umso mehr. Natürlich – er hat hier in Zürich einen Heimvorteil und grosse Fangemeinde, aber unterm Strich ist seine Stimme auch das Highlight dieser ingesamt sehr gut besetzten Wiederaufnahme (wobei die Premierenbesetzung des Lenski mit Pavol Breslik auch hervorragend war!). Während die Arbeiterschaft sich zu einem unbeschwerten Picknick trifft oder gut gelaunt Marmelade kocht und in Gläser abfüllt, dreht sich bei den jungen Menschen alles um die Liebe und grosse Emotionen in schönen Bildern. Zur aktuellen politischen Lage wirkt diese Inszenierung etwas wie ein Hohn, aber so ist das oft im Opernbetrieb, das ist nicht zu ändern und so taucht man in knapp 3 Stunden herrliche Musik ein und lässt sich berauschen, entflieht dem Alltag, während andernorts gekämpft wird. Am Pult steht der GMD GIANANDREA NOSEDA himself und aus dem Graben tönt herrlicher Tschaikovsky mit dem richtigen Quäntchen Pathos, aber niemals vor Schmalz triefend, der Chor klingt erstaunlich präzise und auf dem Punkt, nur in ein paar wenigen Momenten schleppt er (was er ja ganz gerne tut) dem Orchester hinterher. Natürlich ist das Finale grossartig – und die Verzweiflung Onegins über seine vertane Chance absolut spür- und nachvollziehbar, jedoch fragt man sich bis zur Pause zuweilen, was Tatjana denn an diesem eher spröden Onegin von IGOR GOLOVATENKO findet? Onegin ist doch eher ein Draufgänger, ein Lebemann – hier erscheint er eher langweilig und ohne jegliche sexy Attitude. Das Schlussbild jedoch von Onegin und Tatjana im Regen ist immer wieder grandios und sehr bewegend. EKATERINA SANNIKOVA, die (neben Golovatenko) ihr Hausdebüt gibt, ist eine wundervolle Tatjana, zu Beginn gemeinsam mit RACHAEL WILSON als Olga immer nahe am overacting, hier wäre etwas weniger mehr gewesen. Vor allem als reifere und verheiratete Frau in Moskau wirkt sie musikalisch und darstellerisch absolut glaubwürdig, im ersten Teil, während ihrer grossen Briefszene berührt sie erstaunlicherweise weniger. Highlight dieser Produktion ist sicherlich das „Kuda Kuda…“ von Benjamin Bernheim, man ist immer wieder erstaunt über diese wunderschöne, zartschmelzende Stimme, wie schön kehrt er regelmässig zurück nach Zürich. LILIANA NIKITEANU (Larina) überzeugt wie immer, ebenso IRÉNE FRIEDLI (Filipjewna). VITALIJ KOWALJOWs Arie des Gremin strömt geschmeidig und wohltönend, das Couplet des Triquet von NATHAN HALLER klingt auch bestens. Das vollbesetzte Opernhaus quittiert diese Repertoire-Vorstellung von hoher Qualität dann auch mit langanhaltendem Applaus. Tschaikovsky at it’s best!
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