Bobbi Jene Smith/Or Schraiber: PIT – Ballet de l‘Opéra National de Paris 29.03.2023

Das Ballet de l‘Opéra National de Paris besteht aus sagenhaften 154 Tänzer:innen und einem enormen Repertoire, 19 Mitglieder des Ensembles sind in der neuen Arbeit von BOBBI JENE SMITH und OR SCHRAIBER zu sehen – eine Contemporary-Produktion mit Musik von Jean Sibelius und Celeste Oram im Palais Garnier: „PIT“…

Um was es geht kann man nur erahnen, ist es ein Kräftemessen? Zeigt uns „PIT“ das Leben als ewigen Kampf? Oder sind das Strassenszenen, in welchem Milieu auch immer? Auf der Bühne ist eine grosse fast raumfüllende Plattform zu sehen, die auch eine Kampfarena sein könnte, zu Beginn sitzt das Ensemble auf Stühlen und blickt gebannt auf alles was kommt. Zur ruhigen, fast schon sphärischen Musik von CELESTE ORAM passiert zunächst nicht viel, erst mit dem Auftritt des Musikers PETTERI IIVONEN, nimmt die Handlung ihren Lauf, aus dem Graben steigt der Solist auf die Bühne und beginnt am Bühnenportal mit den ersten Klängen des Violinkonzertes von Sibelius. Es ist wie ein Startschuss, als wäre der Ring eröffnet. Da sind (etwas plakativ) Prostituierte und ihre Freier, Beschützer, Zuhälter, Kunden, da geht es um überwiegend heterosexuelles Balzverhalten, um Macht, um Gruppierungen, um Unterdrückung, um Unterwerfung…. – Die Spiele sind eröffnet. Man nimmt sich, was man begehrt, man weist zurück, was man nicht haben möchte. Das Ensemble formiert sich immer wieder neu und lässt hier und da auch Raum für kleine Soli und Pas de Deuxs. Die Stimmung ist eher angespannt, düster, manchmal auch geheimnisvoll. Und doch gibt es auch Hoffnung und Licht, sobald sich eine der grossen bühnenhohen Türen öffnet, nur einen Spalt breit, hier wäre die Möglichkeit für ein Entkommen, doch niemand nutzt diese Chance. Und so ereignen sich viele einzelne Begegnungen und bilden eine Gesellschaft ab. Vieles bleibt rätselhaft, wie etwa die Frau in Rot, die sich wie am Laufsteg bis zur Rampe bewegt, um dann zu drehen und uns als Zuschauer am Rückweg unerwartet viel nackte Haut zeigt. Gibt es eine Dramaturgie oder ist das eine Collage? Ganz sicher ist man auch nicht, ob es sich um einen hervorragend gestalteten Rückprospekt handelt oder doch um die kahle und interessant geleuchtete Rückwand mit den Load-in-Türen. Die 70 Minuten sind kraftvoll und prall gefüllt mit Ideen, Bildern, grossartigem Licht (JOHN TORRES) und einem engagierten Ensemble, kraftvoll im Dauereinsatz. Der Abend endet still und leise, eine Blutspur rinnt aus dem Podest. Black. Das war’s. Ist jemand gestorben? Am Pult brilliert JOANA CARNEIRO mit den beiden unterschiedlichen Partituren, bei den Bows ist man dann überrascht ob ihrer Zierlichkeit – im Vergleich zu den kraftstrotzenden Tänzer:innen des Ensembles, die sich leichtfüssig auf das Podest und wieder hinunter schwingen. Die Musikauswahl ist wunderbar, der Abend kurzweilig und dennoch bleibt die ungeklärte Frage, was oder wer ist „Pit“? Das bleibt unklar bis zum fast schon abrupten Schluss, am schlüssigsten erscheint mir noch die Möglichkeit, dass wohl der Orchestergraben gemeint sein könnte, aus dem Petteri Iivonen zu Beginn emporsteigt um die Musik von Sibelius auf die Bühne zu tragen. Eine Produktion ohne Narrativ, ohne ersichtliche Dramaturgie – so geht der Vorhang zu und alle Fragen bleiben offen…

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