Coppélia – Theater Basel 23.04.2023

Der rumänische Choreograph Edward Clug hat für die Ballettkompanie des Theater Basel eine ganz eigenwillige zweiaktige Fassung von Léo Delibes komischen Ballett „Coppélia“ geschaffen. Die Produktion ist komplett entstaubt, radikal und hat mit dem Klassiker des Ballettrepertoires nichts mehr gemeinsam…

Bereits zu Beginn wird klar, eine Komödie ist dies keinesfalls, die eher strengen Kostüme (Männer schwarz, Frauen weiss, nichts individuelles, uniformiert) feiern gemeinsam, grosser Spass ist nicht auszumachen. Ist das die Zukunft? Man weiss es nicht, das Setting ist nirgends verortet, die Bühne leer, nur ein raumfüllender grosser Rahmen ist zu sehen. Edward Clug vermeidet alles, was an eine konventionelle Erzählweise erinnern würde, man sucht – zumindest bis zur Pause – vergebens nach bekannten Anhaltspunkten aus E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“. Coppélia gleicht eher einem Roboter aus einer fremden Welt entsprungen, als einer Puppe, aber da sie ein knallrotes Plastik-Tutu trägt, dass (wie wir später sehen werden) an eine Kirsche erinnert, soll sie wohl auch die Verführerin sein. Die Musiken von MILKO LAZAR, der bereits für Clugs Ballett „Faust“ am Opernhaus Zürich die Musik geschrieben hat, bilden einen spannenden Kontrast zur Musik Delibes, sind aber eher düster und erinnern stellenweise an einen Horrorfilm oder Thriller. Und selbst wenn Swanilda (GAIA MENTOGLIO) und Franz (DANIEL RODRIGUEZ DOMENECH) zum Schluss nackt (naja, nicht wirklich, sondern in fleischfarbener Wäsche) alleine zurückbleiben und sich die blutroten hochglanzlackierten Kirschen über sie senken, dann ist das alles andere als „under the cherrymoon“, alles andere als Romantik und Liebe. Clug traut diesem Ende nicht und verweigert uns, den Zuschauern, ein Happy End. Die Spannung des Abends entsteht für mich aber nicht durch Clugs manchmal ziemlich einfallslosen Choreografien, die vor allem im ersten Teil an Eurythmie, rhythmische Sportgymnastik und Hobby-Tanzgruppen erinnern, sondern durch Lazars repetitiver Musik in einer Melange mit Delibes opulenten Musiken (am Pult des SINFONIEORCHESTER BASEL: THOMAS HERZOG, am Cimbalom: MARKUS SCHMIED). Und so ist Coppélius (THOMAS MARTINO) auch kein sympathischer Bastler, der eine lebensechte Puppe baut, sondern ein dämonischer, dunkler Typ, der mit seinen schwarzen kniehohen Lackstiefeln auch in einem Fetisch-Club arbeiten könnte. Dazu passt dann auch der Puppenschrank, in dem Coppélia sich befindet, der an einen hochglänzend schwarzlackierten Designer-Kühlschrank erinnert. Clugs Maxime ist es offenbar, keine Emotionen, keine Gefühle – eine kalte und emotionslose, irgendwie tote Welt ist das, was wir sehen. Die Pas de deuxs, die Gruppen, die Hebefiguren, all das berührt ebenfalls nicht und wirkt seltsam mechanisch, was ja wiederum passen könnte. ich empfinde die Produktion als langweilig, sie berührt mich nicht, tänzerisch erzählt mir diese Produktion schlichtweg nichts – es ist seelenlos, wie Coppélia. Das Ensemble, die Solisten tanzen auf gutem Niveau, in Erinnerung bleibt mir aber nur die quirlige Figur von Coppélius Diener: DIEGO BENITO GUTIERREZ. Das ist sehr schade, denn nach dem grossartigen „Peer Gynt“ und seinem „Le Sacre du Printemps“ (im Doppelabend „Walking Mad“) mit dem Zürich Ballett, hatte ich viel mehr erwartet. Sicher, diese „Coppélia“ ist ungewöhnlich und hat einige starke Momente, choreografisch und leider auch tänzerisch ist es eher enttäuschend.

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Ein Kommentar

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