Romeo und Julia – Zürich Ballett 22.06.2019

„Romeo und Julia“ von Sergej Prokofjev – das war 2012 CHRISTIAN SPUCKs erste Zürcher Produktion als neuer Chefchoreograf nach der Ära Heinz Spoerli. Man war gespannt und voller Erwartungen. Mittlerweile hat das Zürich Ballett bei seinen Vorstellungen eine Auslastung, wovon manch andere Häuser und Kompanien nur Träumen können. Zu Recht, denn in den letzten Jahren gab es eine riesige Bandbreite an spannenden und innovativen Ballettabenden im Opernhaus Zürich zu erleben…

Und so ist es eine grosse Freude, nach all den Jahren eine Wiederaufnahme dieser wunderbaren Produktion in fast gleicher Besetzung zu sehen. Am 22.06.2019 nach mehreren Jahren mit Musiktheater, nun dieses Jahr auch als Produktion für die open-air-Veranstaltung „Ballett für Alle“ – Public Viewing auf dem Sechseläutenplatz. Für viele Zuschauer sicherlich ein beeindruckendes gemeinschaftliches Erlebnis, muss man aber auch mögen. Grundsätzlich (und marketingtechnisch sowieso) ist dies ein gelungener Versuch, die manchmal etwas elitäre Bühne für „alle“ zu öffnen, dies wird von der Bevölkerung in vielen Grossstädten begeistert angenommen – oder ist es einfach ein weiteres grosses Sommer-Event wie Streetparade? CSD? Zürifäscht? Caliente? Egal. Dieses Jahr also „Romeo und Julia“ draussen bei wechselhaften Wetterbedingungen, im vollen Saal die Live-Übertragung nach draussen mit vielen Kameras, die auch bereits bereitstehen für die Live-Übertragung der letzten Saison-Premiere „Nabucco“ von Hausherr Andreas Homoki am 23.6.2019 auf ARTE concert.

KATJA WÜNSCHE und WILLIAM MOORE sind als Liebespaar Romeo und Julia seit der Premiere 2012 natürlich etwas in die Jahre gekommen, wirken aber immer noch glaubhaft und tänzerisch leicht und graziös  – das Stück ist auf die beiden Solisten zugeschnitten und das macht es auch zu einem grossartigen und sehr bewegenden Abend. Die Balkonszene mit seinem leichtfüssig-ausgelassenen „Frischverliebten“ – Pas de deux ist dann auch eines der lebensbejahenden Highlights von Spucks sonst eher dunkel gehaltener Interpretation, die trotz aller Tragik auch unzählig komische Details zu bieten hat. So viele toll choreografierte Fechtszenen hatte ich nicht mehr in Erinnerung – diese und natürlich die grossen Ensembleszenen geben dem Stück neben vielen ruhigen Momenten den Drive, die Energie und das Tempo, dass einen fast nie innehalten lässt. Umso mehr die Erschütterung dann bei vielen kleinen und erstarrten Momenten, in denen Spuck den Mut hat, einfach innezuhalten und im Freeze auf die Musik und den Moment vertraut, kein blinder Aktionismus.

Ballett Zürich - Romeo und Julia- Ballett von Christian Spuck n

(Katja Wünsche (Julia) und William Moore (Romeo) – Foto: Judith Schlosser)

Zu Recht grosser Applaus am Ende für Wünsche und Moore sowie die einmal mehr imposante Erscheinung von  ELENA VOSTROTINA (als Amme). In Erinnerung bleiben ebenfalls der verklemmt-übergriffige Paris von JAN CASIER sowie TIGRAN MKRTCHYAN als Tybalt, DANIEL MULLIGAN als Mercutio und CHRISTOPHER PARKER als Benvolio. Stilistisch ist Spucks Choreographie alles andere als ein typisch „klassisches Ballett“, es hat viele klassische Anleihen und historische Bezüge (auch in den wundervollen Kostümen von EMMA RYOTT), tänzerisch ist es jedoch eher eine moderne Sprache mit sehr lebendigen Charakteren. Als Zuschauer spürt man förmlich den Schmerz und die Qual Romeos, wenn er zum Ende die totgeglaubte Julia findet und am Boden sitzend in den Armen hält. Das bewegt sehr und ist ein grosser Gänsehautmoment. Seit Spucks Antritt in Zürich hat er ein grossartiges Ensemble geformt und immer wieder mit sehr beeindruckenden Ballettabenden mit eigenen Arbeiten sowie auch interessanten Gastchoreographen das Zürich Ballett zu einer sehr spannenden und qualitativ hochwertigen Kompagnie gemacht, die auch unterschiedlichen Typen an Tänzer*innen entsprechenden Raum bietet. Nach all den Jahren „Romeo und Julia“ erneut zu sehen, war sehr beeindruckend. Wie wunderbar dieses Stück gealtert ist und wie sehr es den Zuschauer immer noch emotional hineinzieht. Dies ist aber auch der Philharmonia Zürich unter der Leitung von Michail Jurowski zu verdanken, die relativ bekannte Musik Prokofjevs hört man kontrastreich, extrem farbig und nuancenreich aus dem Graben – musikalisch und rhythmisch ist dieses Ballett doch relativ komplex mit seinen vielen Dissonanzen. Das immer wiederkehrende bedrohlich klingende Thema „Tanz der Ritter“ mit seinem schwerfälligen Rhythmus bleibt natürlich im Ohr haften und begleitet einen bis nach Hause und hallt noch lange nach…

Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Vorstellungen:

„Kreationen“ – Juniorballett Zürich am 21.05.2019 (Portugal/Stiens/Montero)

„b.39“ – Ballett am Rhein Düsseldorf am 02.05.2019 (H. van Manen/M. Chaix/M. Schläpfer)

„Don Quixote“ – The Royal Ballet London am 30.03.2019 (Carlos Acosta nach Petipa)

„Nijinski“ – Ballett Zürich am 17.03.2019 (Marco Goecke)

„Bella Figura“ – Ballett Zürich am 25.01.2019 (Jiří Kylián)

„Nussknacker und Mausekönig“ – Ballett Zürich am 01.01.2019 (Christian Spuck)

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