Wie bereits letzte Saison gab es die abendfüllende Produktion des Juniorballetts, die im Theater Winterthur Premiere hatte, nun auf der grossen Bühne im Opernhaus Zürich zu sehen – „Kreationen“, ein dreigeteilter Abend mit Choreographien von Filipe Portugal, Louis Stiens und Goyo Montero…
Leider hat „Kreationen“ nicht die Kraft und Ausdrucksstärke des letzten Abends des Juniorballetts „Un Ballo“ („Un Ballo“/Jiri Kylián, DISRUPTED/Benoît Favre, „Behind the mirror“/Filipe Portugal und „Maraschino Cherries“/Cayetano Soto), dennoch ist es einmal mehr eine beeindruckende Werkschau des Tanznachwuchses beim Ballett Zürich. Vor allem mit der Arbeit von FILIPE PORTUGAL habe ich so meine Schwierigkeiten. Seine Choreographien sind immer äusserst anspruchsvoll, dennoch hat man bei all seinen Stücken immer das Gefühl, er hat seinen Weg noch nicht gefunden und ist auf der Suche. Das ist absolut legitim, hinterlässt aber häufig etwas unbefriedigende Ratlosigkeit. Bei seiner aktuellen Choreografie „Echo of Elements“ zum extrem rhythmischen „Fearful Symmetries“ von John Adams stehen die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft mit ihren jeweils charakteristischen Eigenschaften im Mittelpunkt. Portugal untersucht dabei das Zusammenwirken der unterschiedlichen Elemente in Tanz und Bewegung, basierend auf den Geburtstagen der Tänzerinnen und Tänzer des Juniorballetts. Ein interessantes Konzept, das etwas blass in der Umsetzung, tänzerisch aber anspruchsvolle Wege geht und viel vom technischen Können des Ensembles zeigt. Nach der Pause dann „Wounded“ von LOUIS STIENS, der neben seinem choreografischen Schaffen hauptsächlich als Tänzer im Stuttgarter Ballett engagiert ist. Zur interessanten Soundcollage der französischen DJane Malibu (radarradio – Radio Mix 007) hat er das Stück gemeinsam mit den Tänzer*innen entwickelt:
In der Vergangenheit – und gelegentlich auch heute noch – habe ich es oft vermisst, der wirklich gleichberechtigte Teil eines kreativen Enstehungsprozesses zu sein. Dieses Gefühl möchte ich den Tänzerinnen und Tänzern geben und das Stück gemeinsam mit ihnen entwickeln. In einer Atmosphäre, die für alle Beteiligten angenehm und fordernd zugleich ist. Mein Stück soll einem Traum ähneln, den man nicht gleich deuten kann. Er ist weder heiter noch schwermütig. Ich möchte von ihm leicht benebelt, ästhetisch provoziert und tänzerisch unterhalten werden. (Louis Stiens im Gespräch mit Michael Küster, Programmheft „Kreationen“)
Was von „Wounded“ stark in Erinnerung haften bleibt sind leichtfüssige Ensembles, die sich vereinen, auflösen, wieder vereinen und viel „Stakkato-Arm-Arbeit“ die manchmal ein wenig an den Stil Marco Goeckes erinnert. Fast im direkten Anschluss und ohne lange Pause dann als letzte Choreografie des Abends „Submerge“ des Nürnberger Ballettchefs GOYO MONTERO. Der kanadische Soundkünstler OWEN BELTON hat hierzu eine Musik geschaffen, mit deren Hilfe Montero versucht, seine Erfahrungen des Tauchers choreografisch zu verarbeiten, dabei geht es ihm vor allem um das veränderte Zeitempfinden unter Wasser. Es geht ihm aber auch um Selbstreflexion und das Vordringen ins eigene Ich, indem die Tänzer verschiedene Ebenen durchqueren und das Verhältnis von Gruppendynamik und Individualität für sich immer wieder neue definieren müssen. Wie bei den vorangehenden beiden Choreografien hat der künstlerische Leiter der Beleuchtung FRANCK EVIN hier einmal mehr tolles Licht geschaffen.
Ein vielseitiger Abend, der einmal mehr auch eine grosse Talentschau ist und eine Plattform bietet, sowohl für die Tänzer*innen, als auch für die Choreografen. Schade, gibt es so wenig Arbeiten von Choreografinnen zu sehen – mit Ausnahme der wundervollen Arbeit „Emergence“ von Crystal Pite wird dieses Feld (in Zürich zumindest) fast ausschliesslich von Männern beackert. Schade.
Der Ballettabend „Kreationen“ wird auf Einladung des Royal Opera House London am 18./19. Juni 2019 beim Young Talent Festival gezeigt.
Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Vorstellungen:
„b.39“ – Ballett am Rhein Düsseldorf am 02.05.2019 (H. van Manen/M. Chaix/M. Schläpfer)
„Don Quixote“ – The Royal Ballet London am 30.03.2019 (Carlos Acosta nach Petipa)
„Nijinski“ – Ballett Zürich am 17.03.2019 (Marco Goecke)
„Bella Figura“ – Ballett Zürich am 25.01.2019 (Jiří Kylián)
„Nussknacker und Mausekönig“ – Ballett Zürich am 01.01.2019 (Christian Spuck)
Interessante Einschätzung, Du kennst Dich da wohl ziemlich aus. Bei mir reicht es da immer nur zu – hat mir gefallen/hat mir nicht gefallen. Was meinst du mit Stakkato Arm Arbeit! Rumgefuchtel? Unmotiviert abgehackt?
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Hi Du – ich kenne mich da genau so gut oder wenig aus, wie jeder andere. Auch ich bin grundsätzlich erst mal Zuschauer und entweder gefällt mir etwas oder eben nicht. Ich würde mir nie anmassen etwas objektiv zu beurteilen, sämtliche Blogbeiträge auf meinem Blog geben ausschliesslich meinen persönlich Eindruck wieder. Dafür ist der Blog ja da, mit all den Themen, die ich dort behandle. Gleichzeitig ist es für mich eine Art Tagebuch oder – wenn man so will – auch persönliches Kochbuch. Mit „Stakkato-Arm-Arbeit“ meine ich tatsächlich abgehackte, rhythmische Bewegungsabläufe, wie sie eben zum Beispiel der Choreograph Marco Goecke (dessen Arbeiten ich ganz toll finde) sehr stark verwendet und die fast schon sein Markenzeichen sind. Mir gefällt das. Ich finde das toll, dass jeder Choreograph seine eigene Sprache hat (oder manche eben noch nicht…). Ich grüsse Dich herzlich. A.
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Danke 🙂
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