Nachdem nun aufgrund der Pandemie erneut sämtliche Vorstellungen an der Oper Zürich bis Ende Februar 2021 abgesagt werden mussten, zeigt man im Januar Aufzeichnungen von „Un Ballo in Maschera“ und „Piqué Dame“ – ein sehr mässiges und lauwarmes Angebot, denkt man an die riesigen Subventionen, die das Zürcher Opernhaus erhält, auch im Vergleich mit anderen Häusern weltweit, die sich in derselben Situation befinden (aber digital etwas mehr zu bieten haben)…
Für 48 Stunden hat man also kostenfreien Zugriff auf Verdis „Un ballo in maschera“, der zehn Jahre alten, aber immer noch grossartigen Inszenierung von DAVID POUNTNEY, die im Juni 2017 live als „Oper für Alle“ auf den Zürcher Sechseläutenplatz übertragen wurde. Witzigerweise sass ich genau an jenem Abend der Aufzeichnung und Übertragung im Zuschauerraum und konnte diese hervorragende Besetzung live geniessen. Der Stream am heimischen TV ist in Pandemiezeiten zwar besser als nichts, aber es fehlt die Energie, die Atmosphäre, eben das Live-Erlebnis. Und wieder begeistert allen voran die starke Präsenz von MARIE-NICOLE LEMIEUX als Ulrica, köstlich bei den Weissagungen im 2. Bild mit grosser Operngestik und 20er-Jahre-Divengehabe backstage an ihrem Schminkplatz, während der grosse Medusenkopf im giftgrün ausgeleuchteten Setting vor sich hin orakelt. Regisseur Pountney fährt von Anfang bis zum Schluss grossen Theaterzauber auf und wird somit auch der Bühnenfigur Gustav III (OTAR JORJIKIA) gerecht, der dem Theater und der Literatur sehr zugetan war – das ist für den Zuschauer mehr als wunderbar und äusserst unterhaltsam. Tolles Regiekonzept, tolle Ausstattung (Bühne: RAIMUND BAUER/Kostüme: MARIE-JEANNE LECCA) und dann noch ein wunderbarer Cast – was will man mehr? Neben der spielfreudigen MARIE-NICOLE LEMIEUX (Ulrica) und einer stimmlich sehr kraftvollen SONDRA RADVANOVSKY als Amelia (bewegend ihr „Morrò, ma prima in grazia“ im 3. Akt), brilliert SEN GUO mit perlenden Kurzeinsätzen und darstellerischer Quirligkeit. Bei den Männern ein kraftvoller GEORGE PETEAN als Anckarström und OTAR JORJIKIA als Gustavo III, den offensichtlich das Theater mehr als sein Land Schweden interessiert (stark das Duett „M’ami,m’ami“ im 2. Akt mit Amelia). FABIO LUISI am Pult und die PHILHARMONIA ZÜRICH klingen prachtvoll, kraftvoll wo erforderlich, es gab aber auch wunderbar lyrische Momente. Auch wenn es nur am heimischen TV war – eine wirklich tolle Produktion! Und einmal mehr die Feststellung, wie gross mittlerweile die Entzugserscheinungen nach Live-Vorstellungen sind…
Letzte Opernerlebnisse:
„Simon Boccanegra“ – Premiere (livestream) Oper Zürich 06.12.2020
„Boris Godunow“ – Oper Zürich (stream) November 2020
„7 Deaths of Maria Callas“ – Bayerische Staatsoper München (livestream) 05.09.2020
„Operettengala Camilla Nylund & Piotr Beczala“ – Oper Zürich 12.07.2020
„Iphigénie en Tauride“ – Oper Zürich 16.02.2020
„Wozzeck“ – Oper Zürich 09.02.2020
„Salome“ – Luzerner Theater 17.01.2020
„Martha oder der Markt zu Richmond“ – Oper Frankfurt 31.12.2019
„Belshazzar“ – Oper Zürich 17.11.2019
„Cosi fan tutte“ – Oper Zürich 8.11.2019
„Die Sache Makropulos“ – Oper Zürich 6.10.2019
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