Virginie Despentes – Liebes Arschloch.

Nach der grossartigen „Vernon Subutex„-Trilogie ist nun der neue Roman von Virginie Despentes erschienen, es ist ein moderner Briefroman mit topaktuellen Themen und eine sehr unterhaltsame Lektüre…!

Wie schon bei „Vernon Subutex“ nimmt sich Despentes auch in ihrem neuen Roman den aktuellen Themen an und deckt eine sehr grosse Bandbreite ab: Drogenkonsum, Social Media, #metoo, Feminismus, die Corona-Pandemie – und dies alles wie man es von ihr kennt, sprachgewaltig, direkt und doch auch immer mit einem Hauch an Ironie und witzigen Momenten. Sie ist eine grosse Kennerin der französischen Gesellschaft und bildet diese ungeschönt 1:1 ab.

Rebecca, Schauspielerin, über fünfzig und immer noch recht gut im Geschäft. Oscar, dreiundvierzig, Schriftsteller, der mit seinem zweiten Roman hadert, und Zoé, noch keine dreißig, Radikalfeministin und Social-Media-Aktivistin.  Diese drei, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen nach einem verunglückten Instagram-Post Oscars aufeinander. Wie? Digital. Und so entsteht ein fulminanter Briefroman des 21. Jahrhunderts, in dem alle wichtigen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit verhandelt werden. Rebecca, Oscar, Zoé, alle drei sind vom Leben gezeichnet, voller Wut und Hass auf andere – und auf sich selbst. Aber sie müssen erkennen, dass diese Wut sie nicht weiterbringt, sondern nur einsamer macht, dass Verständnis, Toleranz und sogar Freundschaft erlernbar und hin und wieder sogar überlebenswichtig sind. (Verlag Kiepenheuer & Witsch)

Die Form des Briefromans eignet sich für diesen Diskurs mit einer sehr breiten Themenpalette an (auch wenn das Thema Drogen wohl den meisten Raum einnimmt), der Roman ist realitätsnah und authentisch, dabei geht es der Autorin nicht um eine Bewertung all der abgehandelten Themen, aber sie bringt klar und deutlich zur Sprache, was unsere Gesellschaft heutzutage bewegt – sicherlich stellenweise etwas oberflächlich und den Themen nicht unbedingt immer gerecht, aber sehr unterhaltsam, humorvoll, immer auch mit einer guten Portion Zynismus. Eine gelungene Mischung! Despentes nimmt ihre Figuren ernst, das ist das grosse Plus von „Liebes Arschloch“, man kann alle drei Protagonisten und ihre Emotionen verstehen, ihre Gefühlswelten nachvollziehen, richtig sympathisch ist jedoch niemand. Als Leser kann man sich mit so vielen Situationen, Momenten, Handlungsweisen der Figuren identifizieren, das ist die Stärke des Romans, Despentes schreibt aus dem Leben heraus, unterhaltsam und echt, ohne dass man dem Stil irgendwann überdrüssig wird und nach 332 Seiten ist die Geschichte dann auch erzählt. Sehr zu empfehlen!

„Liebes Arschloch“ von Virginie Despentes, 2023, Kiwi-Verlag, ISBN: 978-3-462-00499-1 (Werbung)

Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Verlag Kiepenheuer & Witsch sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.

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