Zum Abschluss der „Tudor-Trilogie“ (die eigentlich gar keine Trilogie ist, aber gerne so bezeichnet wird) gibt es in Zürich aktuell „Roberto Devereux“ zu sehen, Die Regie ist erneut von DAVID ALDEN, am Pult wie bereits bei den beiden vorhergehenden Produktionen steht ENRIQUE MAZZOLA…
Einen Erzählbogen bilden die drei Werke natürlich schon: Da ist „Anna Bolena„, die von Tudor-König Heinrich VIII verlassene und dann enthauptete Gemahlin und deren Tochter und spätere Königin Elisabeth I, die dann in „Maria Stuarda“ gegen ihre Rivalin kämpfen muss und zuguterletzt die gealterte Königin Elisabeth I, die vermeintlich kaltherzig auf ihre alten Tage wohl doch nochmals Liebesgefühle entdeckt, die Verletzung und Enttäuschung dann jedoch in der Hinrichtung des geliebten Roberto Devereuxs endet. Donizetti ist Belcanto und Gesangskunst vom Feinsten und benötigt ein hervorragendes Sängerensemble. Ursprünglich angekündigt sollte Diana Damrau alle drei Königinnen singen, in der Premiere in Zürich war nun die lettische Sopranistin Inga Kalna (erstmals in Zürich als Madame Lidoine in Poulencs „Dialogues des Carmélites“ zu sehen) als Elisabeth besetzt – vielleicht fühlt sich Frau Damrau einfach noch zu jung für ein alte Königin, wer weiss – Kalna ist jedoch, direkt nach der 2. Vorstellung indisponiert und mittlerweile bis auf weiteres durch ELENA MOSUC ersetzt. Für Elena Mosuc, die in Zürich immer ein wenig im Schatten der grossen Edita Gruberova stand, ist diese kurzfristige Übernahme nicht nur ihr spontanes Rollendebüt, sondern auch ein Triumph! Ihr gegenüber steht natürlich eine grossartige Besetzung: STEPHEN COSTELLO in der Titelpartie, herrlich sauber und frei in den Höhen (trotz angekündigter leichter Indisposition von ihm und Goryachova), ANNA GORYACHOVA als Sara – wundervoll ihr samtweicher, warm klingender Mezzo – und KONSTANTIN SHUSHAKOV als Nottingham mit seinem immer wieder wohltönenden Bariton. Am Pult der PHILHARMONIA ZÜRICH steht erneut ENRIQUE MAZZOLA, abermals mit grosser Erfahrung als Belcanto-Dirigent führt er das Orchester und seine Sänger:innen durch diese Produktion, gibt ihr viel Ruhe und Pausen, der Donizetti klingt farbenreich, empfindsam und wo nötig doch auch aufbrausend, wunderbar vielseitig – Mazzola ist hier wirklich ein grosser Spezialist und bringt diese Partitur zum blühen. DAVID ALDENs eher konventionelles Konzept geht auf, wie in den beiden ersten Produktionen dominiert die kahle Ausstattung aus weissem Marmor und einem verschiebbaren Rondell, was die Szenenwechsel mit vielen Schreibtischen und Pulten ermöglicht, an denen Verträge und Urteile aufgesetzt und unterschrieben werden müssen. Sitzt man im 2. Rang dominiert natürlich der riesige und nicht zu entfernende überdimensional grosse Blutfleck – Devereux ist wohl nicht der erste und einzige, der hier hingerichtet wurde, das ist sehr dominant in der Optik und brennt sich ein. Dazu wie bisher auch konventionelle Personenregie, viele Schattenwürfe und zumeist oberflächliche Plattitüden – gut gemachter Historienkram eben. Während die Protagonisten in prächtigen Kostümen agieren, ist der Chor erneut in Alltagskleidung des 18./19. Jahrhunderts zu sehen und singt erstaunlich sauber und hervorragend einstudiert (JANKO KASTELIC). Im Vergleich zu „Maria Stuarda“ und „Anna Bolena“ wirkt „Roberto Devereux“ fast noch statuarischer, auch wenn das Marmorrondell von der Technik permanent verschoben wird und vermeintlich etwas auf der Bühne passiert und – aus welchem Grund auch immer – Elisabeth I zum Finale auf einem Walkürenfelsen niedersinkt. Insgesamt also eher langweilige Szenerie, aber alleine wegen der letzten 20 Minuten lohnt sich der Besuch. Hier dominiert natürlich Elisabeth I alias Elena Mosuc – ihre Beweglichkeit in der Stimme, ihre wunderbar feinfühlige Interpretation in den leisen Tönen, aber auch die Wucht, mit der sie ihrem Gegenüber etwas entgegen zu schmettern vermag. Das ist wirklich grosse Kunst! Grosse Stimme, unglaubliche Präsenz! Wohlverdienter Ovationen und Blumenregen für Frau Mosuc am Ende der Vorstellung.
Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:
Die Walküre – Bühnen Bern 19.02.2023
Eugen Onegin – Oper Zürich 16.02.2023
Der Rosenkavalier – Luzerner Theater 15.02.2023
La Bohème – Oper Zürich 28.12.2022
Eliogabalo – Oper Zürich 26.12.2022
Tosca – Oper Zürich 20.12.2022
Faust – Oper Zürich 06.11.2022
Barkouf – Oper Zürich 30.10.2022
Il Trovatore – Oper Zürich 06.10.2022
Die Walküre – Oper Zürich Premiere 18.09.2022