Im Mai 2022 in Berlin uraufgeführt und nun in der Tonhalle Zürich als Schweizer Erstaufführung zu erleben: das Konzert „Lux Stellarum“ von ERKKI-SVEN TÜÜR. In Kombination mit dem All-Time-Konzert-Klassiker „Lobgesang“ von Mendelssohn ist dies ein spannungsreicher Konzertabend…
An einem kalt-verschneiten Wintertag ist dieses Programm also genau das Richtige. Wer jedoch – aufgrund der Satzbezeichnungen im Programmheft – sphärische stellare Klänge aus dem All erwartet, der liegt falsch. Bei „Fading Stardust“, Dancing Asteroids“, „Litany of the Dying Stars“ oder „Floating Galaxies“ hat man eine etwas sanftere Vorstellung der zu hörenden Musik. Tüürs Konzert, dem Solisten EMANUEL PAHUD gewidmet, fordert die Zuhörerschaft gewaltig. Wie eine Wand überrollt die Musik zeitweise den Saal, man könnte dieses Werk fast als spröde und rauh bezeichnen. Pahud, der aktuell Fokus-Künstler 2022/2023 des Tonhalle Orchesters ist und bereits in einem spannenden Konzert mit dem Werk „Ceremony“ von Hosokawa zu hören war, gibt alles – von kraftvollen Intervallsprüngen und virtuosem Spiel, bis zum Schluss ein sanft dahin gehauchter Ton das Stück beendet. Fordernd. Und schön! Tüürs Werk ist komplexe und komplizierte Musik die den Atem raubt, fordert, Energie zieht, so dass man sich nach 30 Minuten Konzert auf die Pause und Mendelssohnschen Pathos beim „Lobgesang“ freut.
Erkki-Sven Tüür (*1959): „Lux Stellarum“ Konzert für Flöte und Orchester – Schweizer Erstaufführung / Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847): „Lobgesang“ op. 52 für Soli, Chor und Orchester MWV A 18, Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift
Nach der Pause dann der schon häufig gehörte „Lobgesang“ von Mendelssohn-Bartholdy – immer wieder berückend schön. Järvi zelebriert dieses Werk – was soll man damit sonst auch tun? – ohne in allzu grossen Pathos zu verfallen. Nach Tüürs gewaltigem „Lux Stellarum“ vor der Pause ist die einleitende Sinfonia dieser eigenwilligen Mixtur aus Sinfonie und Kantate wohltuend, man kann sich zurücklehnen und sich ganz dem Klang hingeben. Und dieser ist (vor allem auf dem Balkon Mitte) in der Tonhalle immer wieder unglaublich schön, voll, satt. Und später dann beim gewaltigen Choreinsatz „Alles was Odem hat, lobet den Herrn“ absolut wort- und textverständlich, eine wahre Freude (Ein Bravo für die Einstudierung von FLORIAN HELGATH und für die ZÜRCHER SING-AKADEMIE). Die Sopranistin CHEN REISS, mit deren Konterfei das Konzert beworben wurde (und von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte) enttäuscht jedoch ein wenig mit ihrem zarten Stimmchen, ganz anderes dagegen der kraftvolle Mezzo von MARIE HENRIETTE REINHOLD mit der undankbaren zweiten Frauenpartie in diesem Stück – von ihr wünscht man sich mehr zu hören! Wirklich toll der Tenor von PATRICK GRAHL, so sanft und doch fordernd bei seinem Tenorsolo „Stricke des Todes…“. Für mich war dieses Konzert eine Wohltat nach einem mühsamen Arbeitstag, einmal mehr habe ich die Kraft der Musik gespürt, habe mich guter Dinge von der Tonhalle auf den Weg nach Hause begeben. Das erste Konzert im neuen Jahr – Wunderbar. So soll es sein und weitergehen – am Sonntag im Opernhaus mit dem grossartigen Nils Mönkemeyer und Bartók!
Zuletzt besuchte Konzerte:
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Järvi/Pahud: Hosokawa/Bruckner – Tonhalle Zürich 16.08.2022
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