Es ist ein sehr spezielles Konzertprogramm. Musik von J. S. Bach in der grossen Tonhalle ist eher ungewöhnlich und in Kombination mit Hosokawa und Bruckner hinterlassen diese 90 Minuten unter Kent Naganos musikalischer Leitung auch einen eher spröden Eindruck…
Das Konzert beginnt mit Stücken aus Johann Sebastian Bachs „Die Kunst der Fuge“ in einer Bearbeitung für Orchester von Ichiro Nodaira, das fühlt sich seltsam und fremd an in diesem grossen Saal, auch wenn es für diese Fassung entsprechend Platz benötigt und in dieser Instrumentierung ein interessantes Klangerlebnis bietet. Direkt im Anschluss das Intermezzo für vier Perkussionisten (Andreas Berger/Benjamin Forster/Christian Hartmann/Klaus Schwärzle) aus der Oper „Stilles Meer“ von Toshio Hosokawa, entstanden 2015 für die Hamburgische Staatsoper und gewidmet den Opfern des Erdbebens und Tsunami 2011. Hosokawa ist derzeit Inhaber des Creative Chair beim Tonhalle Orchester Zürich und es gab von ihm zuletzt in diesem Saal die UA seines Flötenkonzertes „Ceremony“ zu hören (Järvi/Pahud). Das kurze, nur ca. 4 Minuten dauernde Intermezzo beginnt unmerklich und steigert sich rasch zu einem furiosen Finale, bleibt aber wie der Bach ebenso spröde und in gewisser Art und Weise unbefriedigend. Ohne Pause geht es dann direkt weiter zu Bruckners unvollendeter 9. Sinfonie in d-Moll.
Johann Sebastian Bach: Aus die „Kunst der Fuge“ BWV 1080 (Bearbeitung für Orchester von Ichiro Nodaira) Contracpunctus I, Contrapunctus XV, Contrapunctus VIII / Toshio Hosokawa: Intermezzo für vier Perkussionisten aus der Oper „Stilles Meer“ / Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 9 d-Moll
Kent Nagano, der eher für seine „kühlen“ und analytischen Dirigate bekannt ist (und ich habe ihn auch immer nur so erlebt) lässt zwar einen pathetischen Kopfsatz erklingen, dafür erscheint der 2. Satz (Scherzo) mit seiner heftig aufbrausenden Musik einmal mehr gespenstisch, ja fast schon spukhaft. Dieser Satz ist wirklich immer wieder grossartig und lässt den manchmal unerträglichen Bruckner-Kitsch leichter ertragen. Das nachfolgende Adagio hört sich natürlich immer an wie ein Abschied, wenn man weiss, dass der Komponist danach verstarb und seine letzte Sinfonie nicht mehr vollenden konnte. Nach den vielen Konzerten mit Werken Bruckners im letzten Jahr ist mein Bedarf nun vorerst gedeckt, obwohl ich noch die 5. Sinfonie mit David Zinman hören wollte, aber ich habe gerade genug vom schwülstigen Pathos dieses erzkatholischen Österreichers und mag vorerst keine Konzerte mehr mit seiner Musik, bei der man jedesmal denkt, es nimmt kein Ende.
Zuletzt besuchte Konzerte:
Järvi/Pahud: Tüür/Mendelssohn – Tonhalle Zürich 18.01.2023
Urbanski/Hornung: Gulda//Tschaikowsky/Prokofjew – Tonhalle Zürich 31.12.2022
Saraste/Grubinger: Bjarnason/Sibelius – Tonhalle Zürich 16.12.2022
Herbert Blomstedt: Schubert/Berwald – Tonhalle Zürich 07.12.2022
Sonic Matter Festival: Ruzicka/Enescu – Tonhalle Zürich 02.12.2022
Sonic Matter Festival: Xenakis/Hiendl – Aktionshalle Rote Fabrik 01.12.2022
Järvi/Buchbinder: Pärt/Beethoven/Bruckner – Tonhalle Zürich 27.10.2022
Järvi/Hahn: Nielsen/Sibelius/Prokoview – Tonhalle Zürich 22.09.2022
Järvi/Pahud: Hosokawa/Bruckner – Tonhalle Zürich 16.08.2022
Lucerne Festival: Harding/Zimmermann – Schnittke/Bruckner – KKL 01.09.2022
Ein Kommentar