Seit Mitte März sämtliche Theater und anderweitige Spielstätten schließen mussten, bin ich zwar permanent abends zu Hause, habe aber Entscheidungs-Stress: wo beginnen bei den unzähligen Livestreams, Archivausgrabungen, Online-Konzerten und was sonst noch mehrmals täglich als Einladung per mail ins Postfach flattert?…
Die Hamburgische Staatsoper wirbt unter anderem mit Pendereckis „Die Teufel von Loudun“ von 1969, Stuttgart wirbt mit einer aktuellen Produktion von John Adams‘ „Nixon in China“, aus dem Zürcher Opernhaus gibt es querbeet ein buntes Angebot von „Land des Lächelns“ über „Nabucco“ und diversen Ballettproduktionen („Nussknacker und Mäusekönig“, „Requiem“, „Romeo und Julia“) bis hin zu Homokis grossartigem „Wozzeck“. Das Schauspielhaus Zürich (aktuell „Zuhauspielhaus“) beschreitet andere Wege – Intendant Nicolas Stemann arbeitet an „Corona Passionsspielen“ – in Anlehnung an die ebenfalls abgesagten Passionsspiele in Oberammergau, die nur alle 10 Jahre stattfinden und als Gelübde der Gemeinde an die überstandene Pest im dreissigjährigen Krieg erinnern sollen (und nun auf 2022 verschoben sind). Erste Clips auf der SHZ-Homepage zeigen Musical-Songs… – aha. Museen bieten virtuelle Rundgänge und auch Konzerte werden auf Teufel komm raus gestreamt, ob aus der Tonhalle oder dem KKL. Wie soll man sich in diesem Überangebot zurechtfinden? Und will man das überhaupt? Selbst der sonst total verschlafene Richard-Wagner-Verband Nürnberg, bei dem ich seit bald 30 Jahren Mitglied bin, meldet sich nun regelmässig zu Wort per mail und informiert über Absagen von Vorträgen und der Bayreuther Festspiele im Sommer 2020. Man kann verstehen, dass die Kulturszene nicht untätig herumsitzen möchte und sich über irgendein Medium produzieren und zeigen muss und möchte. But me: as told in „Arcimboldis_Column #24“ – ich geniesse die Ruhe und Entschleunigung und den grossen Bücherstapel und bin sowieso noch nie an einer Opern-Ausstrahlung im TV hängen geblieben. Theater, Oper, Konzert ist und bleibt für mich ein Live-Erlebnis. Im Parkett Reihe 8 bis 13 mittig hat man dann auch genügend Distanz, denn Close-ups von Opernsängern*innen am heimischen TV-Bildschirm, denen man tief in den Rachen, am Zäpfchen und den Stimmbändern vorbei bis in den Magen sehen kann sind sowieso der absolute Abtörner – da können sie singen wie sie wollen…
Und zum Schluss muss ich sinnigerweise noch einen treffsicheren Tweet der hochverehrten Sibylle Berg vom 26.03.2020 zitieren: „muschis, toll was ihr alle so streamt an Liedern, texten, gymnastischen Übungen. einfach dran denken – einmal netz – immer netz„.
Genau!
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