Als erste Wiederaufnahme der neuen Spielzeit 2019/2020 gab es am Opernhaus Zürich Verdis „Nabucco“ in der Inszenierung ANDREAS HOMOKIs – szenisch eher belanglos, dafür am Pult ein grossartiger und ausgewiesener Verdi-Kenner: Generalmusikdirektor FABIO LUISI. Musikalisch ein Fest!
Die Premiere gegen Ende letzter Spielzeit wurde live auf ARTEconcert übertragen und hat mich in der szenischen Umsetzung schon damals eher gelangweilt, nun ist „Nabucco“ auch nicht mein bevorzugtes Werk von Verdi und die zuletzt besuchte Vorstellung auch schon ein paar Jahre her (2004, Hamburgische Staatsoper, ML: Ion Marin/Regie: Karoline Gruber). Dieses Frühwerk ist insgesamt natürlich etwas unausgegoren, hat aber durchaus wunderbare Musiken und jeder Zuschauer wartet natürlich auf den Gefangenenchor. Dies war leider auch der einzig starke Moment des Zürcher Opernchores an diesem Abend (Choreinstudierung: JANKO KASTELIC), der ansonsten vor allem zu Beginn bis zur Pause sämtliche Tempi verschleppte und dem Orchester permanent hinterher hing – sehr ärgerlich und leider auch überdeutlich hörbar. Homoki hat den Konflikt zwischen Babyloniern und Hebräern als Familiendrama inszeniert, in dessen Mittelpunkt Abigaille steht, der omnipräsente Chor darf sich immer schön zusammen mit der riesigen grünen Marmorwand (Klagemauer? Tempelmauer?) im Kreise drehen – bloss kein Stillstand auf der Bühne. Fenena und Abigaille sind bereits bei der zeitweise offenen Ouvertüre durch ihr kindliches Pendent gedoppelt und streiten schon hier um die Krone, wenn Nabucco dann einst abtreten sollte. Nebst meist belanglosen Operngesten gibt es jedoch auch den ein oder anderen starken Moment, etwas wenn Abigaille beim wunderbar zart und geheimnisvoll tönenden „Va pensiero“ des Chores sich am Portal anlehnt und sich die Ohren zuhält – das bleibt haften. Neben der stimmlich sehr starken OKSANA DYKA (die mir fast besser gefallen hat, als die Premierenbesetzung Anna Smirnova) als Abigaille – keine wirklich einfach zu singende Partie – lässt vor allem der kräftige Bariton von DALIBOR JENIS (Nabucco) aufhorchen, manchmal vielleicht etwas undifferenziert und vordergründig laut. OTAR JORJIKIA (Ismaele), VITALIJ KOWALJOW (Zaccaria), STANISLAV VOROBYOV (Oberpriester des Baal) ergänzen die sehr gut aufgestellte Männerriege, VERONICA SIMEONI als Fenena erschien mir allerdings in der besuchten Vorstellung ungewohnt blass und zurückhaltend. Auch wenn die Umsetzung Homokis eher nichtssagend ist, lohnt sich der Besuch aufgrund des Dirigats von FABIO LUISI. Feinfühlig dirigiert er einen schlanken, temporeichen Verdi, der die Schwachstellen des Stückes vergessen lässt und den Zuhörer mitreisst. An die eigenwillig-langweilige grüne Marmor-Ästhetik dieser Inszenierung gewöhnt man sich, sie verblasst dann auch irgendwann neben diesem musikalisch wunderbaren Abend.
Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:
„Al gran sole carico d’amore“ – Theater Basel 22.09.2019
„Einstein on the Beach“ – Grand Théâtre de Genève 13.09.2019
„Elektra“ – Oper Zürich 15.07.2019
„Last call“ (UA) – Oper Zürich 28.06.2019
„Tristan und Isolde“ – Theater Bern 27.06.2019
„Hippolyte et Aricie“ – Oper Zürich 07.06.2019
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