In der Saison 2017/2018 gab der junge Dirigent JOSHUA WEILERSTEIN sein Debüt mit dem Tonhalle Orchester Zürich (Konzerte mit Igudesman & Joo). Nun war er mit seiner Schwester, der Cellistin ALISA WEILERSTEIN, und einem anspruchsvollen Programm zurück in der Tonhalle MAAG…
Benjamin Brittens Sinfonie op. 68 für Cello und Orchester wurde 1964 vom Widmungsträger Mstislav Rostropowitsch zusammen mit dem Moskauer Philharmonischen Orchester uraufgeführt – am Pult stand Britten selbst. Es ist ein eher düsteres Werk, nur ab zu gibt es fein-melodiöse Lichtblicke, insgesamt sehr gefühlsbetont und emotional. Und so erlebt man auch die Solistin ALISA WEILERSTEIN mit ihrem Spiel am Violoncello: eine Mischung aus Hingabe und Vergeistigung. Sehr versunken in die Musik, wo nötig eine harmonische Einheit mit dem Orchester, dennoch wach und präsent in ihren Solopassagen. Ein interessantes Stück, nicht gerade gängig, aber eine ideale Vorbereitung für den Zeitgenossen Schostakowitsch nach der Pause. Obwohl ich Britten sehr mag und gerne höre, hat mich dieses Werk nicht gepackt.
Benjamin Britten (1913-1976) – Sinfonie op. 68 für Violoncello und Orchester
Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) – Sinfonie Nr. 11 g-Moll op. 103 „Das Jahr 1905“
Nach der Pause dann Schostakowtischs Sinfonie Nr. 11 (betitelt mit „Das Jahr 1905“), bevor es losgeht, ein kurzes Statement des Dirigenten. Er erwähnt, dass die offizielle Lesart zwar die Revolution gegen den Zaren feiert, in Wahrheit sich jedoch auf die Niederschlagung des Ungarnaufstandes bezieht und gleichzeitig betont Weilerstein, dass dies so aktuell ist wie nie, denn überall auf der Welt lodern derzeit politische Feuer. Bereits die Betitelung der einzelnen Sätze lässt auf Kampf, Krieg, Tod und revolutionäres Gedankengut schliessen und so wird diese Sinfonie zunehmend zu einem relativ lauten Kriegsgetöse. Beim ersten Satz (Platz vor dem Palast/Adagio) spürt man förmlich die Stille des Schnees, die Ruhe vor dem Sturm. Die Stimmung ist beklemmend. Musikalisch hat es mich durchaus an die Stille vor der Gemetzel-Szene in David Lynchs Verfilmung von Pasternaks „Doktor Schiwago“ erinnert (Musik: Maurice Jarre). Spannung macht sich breit, bevor im zweiten Satz (9. Januar/Allegro) der blutige Angriff tobt und tost. Neben den fortwährend eingeflochtenen Revolutionsliedern beinhaltet auch die Totenklage im Anschluss (Ewiges Gedenken/Adagio) Volksliedanklänge: „Unsterbliche Opfer, ihr sanket dahin“. Insgesamt erschien mir der zweite Teil des Abends, Schostakowitschs Sinfonie, viel zu laut und auf Effekt getrimmt. Etwas mehr Differenziertheit hätte dem Werk gut getan, vor allem der vierte Satz (Sturmgeläut/Allegro non troppo) mit seinen heroischen Freiheitsklängen und der Verherrlichung siegreicher Revolution hatte für meinen Geschmack zu viel Pathos und wirkte allzu plakativ. Dennoch hat dieses Konzert einen bleibenden Eindruck hinterlassen, konzeptionell sowieso, denn beide Werke sind fast zeitgleich entstanden, Britten und Schostakowitsch waren befreundet und im Austausch. Das Geschwisterpaar Weilerstein erschien mir – trotz der persönlichen emotionalen Vorrede zur Sinfonie Schostakowitschs – seltsam unemotional und unbeteiligt. Beide haben bei mir keinen bleibenden Eindruck einer eigenständigen Künstlerpersönlichkeit hinterlassen. Das soll es geben…
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