Paavo Järvi: Pärt/Sibelius – Tonhalle MAAG 04.10.2019

Nun ist er also da und hatte mit seinen drei Antrittskonzerten in der Tonhalle MAAG eine erste medienwirksame Welle – der neue Chefdirigent und Music Director des Tonhalle-Orchesters Zürich: PAAVO JÄRVI…

Dem Rummel um seinen Antritt konnte man sich auch nicht wirklich entziehen – Paavo lächelte von unzähligen Plakaten und die Medien brachten Interviews, Vorabberichte und natürlich Rezensionen der Konzerte. Die Homepage des Tonhalle-Orchesters Zürich ist komplett auf ihn ausgerichtet, vom Grusswort der Stadtpräsidentin zum Amtsantritt, über die Rubrik „Durchs Jahr mit Paavo“, natürlich die Vorstellung der ersten gemeinsamen CD (Werke von Olivier Messiaen), bis hin zur Konzertaufzeichnung, die man nun online nachhören (oder wiederhören) kann… – puh. Da ist die Erwartungshaltung gross. Das Konzert selbst wurde in dem von mir besuchten Konzert natürlich ähnlich umjubelt, wie die beiden vorhergehenden Konzerte und jeder betonte die besondere und ungewöhnliche Progammatik:

Arvo Pärt (*1935) – „Wenn Bach Bienen gezüchtet hätte …“ (Uraufführung der Neufassung) für Klavier, Bläserquintett, Streichorchester und Schlagzeug
Jean Sibelius (1865 – 1957) – „Kullervo“ op. 7 für Singstimmen, Männerchor und Orchester

Das erste kurze Stück „Wenn Bach Bienen gezüchtet hätte…“, mit dessen Uraufführung der Neufassung Arvo Pärt das Tonhalle Orchester und Järvi zum Neubeginn beschenkt  hat, verweist auf einen akustisch anschwellenden Bienenschwarm und erklingt mit seinem B-A-C-H-Motiv als eine Hommage an den grossen Meister aus Leipzig. Virtuose Streicher stimmen den Zuhörer auf diesen Abend ein. Ein wirklich schönes Stück. Doch dann folgt nach kurzem Umbau bereits das Monstrum „Kullervo“ von Jean Sibelius und erschlägt einen förmlich. Die Sage ist dem finnischen Nationalepos „Kalevala“ entnommen und hat fast wagnerianische Dimensionen – Inzest, Verführung, Rache, Mord und Totschlag. Die Partien der beiden Geschwister Kullervo (Bariton) und Sisar (Sopran) wurden dann auch von JOHANNA RUSANEN und ihrem Bruder VILLE RUSANEN übernommen, beide überzeugten durch klare Diktion und Ausdruck, musikalisch allerdings eher durchschnittlichen Leistungen – Johanna Rusanen jedenfalls eine markante und nachhaltige Erscheinung vom Typ Bianca Castiafores. Beeindruckend erschallt der ESTNISCHE NATIONALE MÄNNERCHOR RAM (Einstudierung: MIKK ÜLEOJA) gemeinsam mit den Herren der ZÜRCHER SING-AKADEMIE (Einstudierung: FLORIAN HELGATH) von der Empore. JÄRVIS Interpretation setzt auf eine starke Ausprägung grotesker Züge und teilweise fast schon überhöhter volksmusikähnlicher Ausgestaltung, viele Bläser, satte Streicher, wenig Sanftheit, häufig wohltuende Melancholie, stellenweise ein wenig zu dick aufgetragen. Nach gut 70 Minuten ist man dann auch etwas erschlagen von der Wucht und dem Pathos dieses Werkes. Glücklicherweise wird man nach dem Applaus noch mit einem leichtfüssig daherkommenden Encore – ebenfalls von Jean Sibelius – etwas erschöpft entlassen: es ist das erste der „Drei Lieder für Männerstimmen und Orchester, op. 31“. Soweit – so gut: Antrittskonzerte erfolgreich absolviert, erste CD erschienen, Spannung und Neugierde aufgebaut – hohe Messlatte, die gehalten werden muss. Good luck Maestro Järvi!!!

Zuletzt besuchte Konzerte:

#bebeethoven – Tonhalle MAAG 06.09.2019

Urbanski/Thibaudet: Bernstein/Gershwin/Lutoslawski – Tonhalle MAAG 21.06.2019

Ligeti/Pintscher – ensemble intercontemporain / Tonhalle MAAG Zürich 10.05.2019

Roth/Lewis: Beethoven/Mahler – Tonhalle Orchester 05.05.2019

Currentzis/Verdi Requiem – KKL/Lucerne Festival 10.04.2019

Pintscher/Debussy/Josefowicz – Tonhalle Orchester Zürich am 05.04.2019

 

6 Kommentare

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