Nach dem vielbeachteten Eröffnungskonzert des neuen Chefdirigenten und Musical Director des Tonhalle Orchesters Zürich PAAVO JÄRVI mit Sibelius Monstrum „Kullervo“, nun also der Start in die Aufnahmesessions von Tschaikowskys Sinfonien, die – nach der ersten gemeinsamen CD mit Werken von Olivier Messiaen – als nächstes erscheinen werden – die Vermarktungsmaschine Järvi läuft auf Hochtouren…
Auftakt des Konzertes bildete Tschaikowskys Orchesterfantasie „Francesca da Rimini“ nach dem 5. Gesang des „Inferno“ aus Dantes „Divina commedia“, eine düstere Programmmusik, die bereits bei der Einleitung mit einem dramatischen Motiv auftrumpft und im Ganzen die Unausweichlichkeit des tragischen Schicksals versinnbildlicht. Es stürmt und tost und trotzdem schafft Järvi es, dazwischen auch leise, sanfte, ruhige Töne anklingen zu lassen, bei diesem im Repertoire eher selten gespielten Werk. Bei der Dynamik geht er mit dem Orchester (auch bei der später folgenden 4. Sinfonie) allerdings stellenweise bis an die Grenzen des für die Zuhörer erträglichen. Einen eher heiteren lebensbejahenden Kontrapunkt bildet anschliessend vor der Pause Aaron Coplands leichtfüssig daherkommendes Klarinettenkonzert, welches von Benny Goodman in Auftrag gegeben und durch ihn 1950 auch uraufgeführt wurde. Wunderbar anzusehen (und natürlich auch zu hören) der Solist MARTIN FRÖST, der sich spielerisch tänzelnd, fast wie choreografiert, durch das Stück bewegt, so gerne man die Augen schliessen möchte um der wunderbaren mit Jazzanklängen versetzten Musik zu lauschen – das ist nicht möglich, so sehr ist man von Fröst und seiner Hingabe zu dieser Musik fasziniert. Grossartige energetische Zugabe von Fröst (zunächst solistisch mit „Nature Boy“ von David Bowie und nachfolgend einem ekstatischen Klezmer-Dance mit dem ganzen Orchester! Toll!!!
Pjotr I. Tschaikowsky (1840-1893) – „Francesca da Rimini“, Fantasie für Orchester e-Moll op. 32, nach dem 5. Gesang des „Inferno“ aus Dantes „Divina commedia“ /
Aaron Copland (1900-1990) – Konzert für Klarinette, Streicher, Harfe und Klavier (in einem Satz)
Encore „Nature Boy (David Bowie) und „Klezmer-Dance“
Pjotr I. Tschaikowsky (1840-1893) – Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36
Encore „Polonaise“ aus „Eugen Onegin“ (Tschaikowsky)
Nach der Pause dann Tschaikowskys fulminante 4. Sinfonie, die zuletzt – noch gar nicht so lange her – 2018 unter Semyon Bychkov in der Tonhalle zu hören war. Tschaikowskys Zerrissenheit, schwul und in eine Ehe geflüchtet, ist sehr deutlich spürbar bei diesem Werk, welches um die Jahreswende 1877/78 entstand. Gleich zu Beginn schmettern dem Konzertbesucher die Fanfaren all die Tragik entgegen, die Tschaikovskys Leben widerspiegeln. Järvi lotet diese Emotionen gekonnt aus, führt das Orchester mit klarem Gestus – die wohlwollende Symbiose zwischen dem Tonhalle Orchester und seinem neuen Chef ist in diesem Konzert überdeutlich zu spüren – es herrscht Aufbruchstimmung, mit neuer Energie und grosser Lust am Musizieren. Das überträgt sich in den Saal, macht grosse Freude sowie Lust auf alles Folgende. Wunderbar im zweiten Satz die folklorisch anklingenden Töne der Oboe mit all seiner Melancholie und den wundervollen Pizzicato-Sequenzen der Streicher. Nach dem grossen dramatischen Crescendo zum Ende des vierten Satzes und erlösendem begeisterten Applaus, wird man dann aber wieder mit den heiteren Tönen der Polonaise aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“ als Zugabe in den Abend entlassen.
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Danke für den «Tipp» von Aaron Coplands Konzert für Klarinette!
Wer – wie ich – fern der Tonhalle Maag lebt, kann dieses faszinierende Stück mit dem tänzelnden Martin Fröst (begleitet vom Norwegian Chamber Orchestra) auf YouTube hören und sehen!
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Habe mir das auf Youtube angesehen und nochmals gedacht, was für ein tolles Stück das von Copland ist. Schade sieht man in dieser Aufnahme den tänzelnden Fröst nicht so toll, das war wirklich der Fokus des Abends. Ein toller Musiker! Viele Grüsse aus Zürich. A
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