#bebeethoven – Tonhalle MAAG 06.09.2019

Bereits zum zweiten Mal präsentierte IÑIGO GINER MIRANDA im Rahmen des über drei Jahre angelegten Projektes #bebeethoven seinen neuen Abend zum Saisonbeginn in der Tonhalle MAAG. Dieses Konzept ist Bestandteil der jetzt schon vorausgehenden Feierlichkeiten zum Beethoven-Jahr 2020… 

Iñigo möchte mit #bebeethoven ein „immersives Orchesterkonzert“ erschaffen, das Publikum soll sich mitten in der Musik und in der Komposition bewegen. Die Bandbreite der verwendeten Musiken bewegt sich zwischen dem 15. und 21. Jahrhundert und befinden sich konzeptionell „im ständigen Fluss“. Das Wunderbare an diesem Konzert bzw. Konzept ist natürlich der polyphone Klang, den man als Zuschauer quasi mittendrin erleben darf. Dieses Gefühl von Nähe zur Musik und zu den Musikern ist einfach wundervoll und bietet ein komplett anderes Konzerterlebenis. Die Musik wird tatsächlich spürbar.

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Direkt nachdem die Musiker ihre im Saal verteilten Plätze eingenommen haben, erhebt der Dirigent des Abends MIGUEL PÉREZ IÑESTA den Taktstock und im Saal beginnt der Kanon „Qui habitat“ von Josquin Desprez zu wabern, nahtlos folgen zwei „Études“ für Streichorchester des Schweizer Komponisten Frank Martin. Besonders das zweite Pizzicato-Stück begeistert durch seine Rhythmik und im Raum verteilte gezupfte Präzision. Auch die für Bläser vom Dirigenten arrangierten nachfolgenden Stücke von Johann Sebastian Bach (Choral) und Giovanni Gabrieli (Motette) fügen sich in dieses Konzept ein und sorgen für einen Moment der Ruhe, bevor im Anschluss mit Prokofjews wohl bekanntester 1. Sinfonie eher klassische Konzertsprache à la Haydn/Mozart ertönt und quasi den Mittelpunkt dieses Gesamtkonzeptes bildet. Während die Musiker zu den bizarren Klängen von Samir Odeh-Tamimis Werk „Bukkà“ den Saal verlassen, um sich auf die Empore zu begeben, lauscht der Zuhörer diesem spröden Stück, einer Mischung aus Horror-Filmmusik und rhythmischem Getrommel – toll! Zur Ruhe kommt man dann mit den ersten drei Sätzen aus Telemanns Konzert für vier Violinen in G-Dur, bevor von der Empore letztendlich und final Wagners Ouvertüre zu „Lohengrin“ ertönt und den sehr pathetischen Abschluss bildet (Arr. Iñigo Giner Miranda/Guillem Borràs). Ein Stück folgt aufs nächste, unterschiedliche Musiken, unterschiedliche Epochen und dennoch hat man das Gefühl, als wären diese – teilweise so unterschiedlichen Werke – genau für diesen Abend in dieser Reihung entstanden. Da die die meisten Musiker*innen im Stehen spielen, ist eine komplett andere Kraft zu spüren, der Saal ist energetisch aufgeladen (hat man jemals ein Konzert von Teodor Currentzis und dem Orchester musicAeterna aus Perm erlebt, kennt man dieses Gefühl…).

Josquin Desprez (†1521) – „Qui habitat“, Kanon / Frank Martin (1890-1974) – „Études für Streichorchester“ (Nr.1/Nr.2) – Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Choral „Wo soll ich fliehen hin“ (Arr. für Bläser Iñigo Giner Miranda) – Giovanni Gabrieli (1557-1612) – „Jubilate Deo“, Motette (Arr. für Bläser Iñigo Giner Miranda) – Sergej Prokofjew (1891-1953) – Sinfonie Nr. 1 D-Dur op. 25 „Symphonie classique“ – Samir Odeh-Tamimi (*1970) – „Bukkà“ für Streichorchester – Georg Philipp Telemann (1681-1767) – Konzert für vier Violinen G-Dur (I/II/III) – Richard Wagner (1813-1883) – Vorspiel zum 1. Akt aus „Lohengrin“ (Arr. Iñigo Giner Miranda/Guillem Borràs)

Die ursprünglichen Vorbehalte, dass dies ein geschmäcklerischer Abend werden könnte, haben sich dann auch relativ schnell in Luft aufgelöst, denn von den grossspurig im Programmheft angekündigten atmosphärischen Lichtstimmungen war nichts zu sehen, einzig beim grossen Finale mit Wagners „Lohengrin“-Ouvertüre von der Empore wurde mit anschwellender Dynamik des Schwanenthemas der Saal in aufglimmendes Lila getaucht. Aber dieser kurze Pathos zum Schluss sei dem Regisseur gegönnt, hat er doch dafür gesorgt, dass das sehr begeisterte Publikum (mich eingeschlossen) den Saal glücklich, mit feuchten Augen und sehr beseelt verlässt. Ein toller Konzertabend!

Zuletzt besuchte Konzerte:

Urbanski/Thibaudet: Bernstein/Gershwin/Lutoslawski – Tonhalle MAAG 21.06.201

Ligeti/Pintscher – ensemble intercontemporain / Tonhalle MAAG Zürich 10.05.2019

Roth/Lewis: Beethoven/Mahler – Tonhalle Orchester 05.05.2019

Currentzis/Verdi Requiem – KKL/Lucerne Festival 10.04.2019

Pintscher/Debussy/Josefowicz – Tonhalle Orchester Zürich am 05.04.2019

 

7 Kommentare

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