Eines der wenigen wirklich interessanten Konzerte in dieser „Zwischen“-Saison 2018/2019 des Tonhalle Orchesters Zürich war sicherlich das Konzert mit der doch sehr interessanten Kombination von Matthias Pintschers Konzert für Violine und Orchester „Mar’eh“ umrahmt von Claude Debussys „Rondes de printemps“ und „Le Martyre de Saint Sébastian“…
Matthias Pintscher, der in dieser Saison die Position des „Creative Chair“ innehat, gestaltete am Pult einen feinfühligen, persönlichen und intimen Konzertabend. Das hat natürlich mit der Auswahl der Werke zu tun, aber auch mit Leila Josefowiczs Interpretation von Pintschers Violinkonzert. Das Konzert beginnt mit dem kurzen Stück „Rondes de printemps“, ein Werk, in dem Debussy das Frühlingserwachen schildert. Dabei verwendet er auch die alte französische Volksweise „Nous n’irons plus au bois“, ein durchaus impressionistisch-detailreiches und erfrischend modern klingendes Stück, was Lust auf mehr frühlingshafte Gefühle an diesem Abend macht.
Claude Debussy – Nr. 3 „Rondes de printemps“ aus „Images“ für Orchester
Matthias Pintscher – „Mar’eh“ für Violine und Orchester
Claude Debussy – „Le Martyre de Saint Sébastian“
Über seine Komposition „Mar’eh“ sagt Pintscher selbst, dass es einen Zustand beschreibt, der die veschiedensten Ausprägungen haben kann: „Eine herzliche Umarmung ist Mar’eh, der brennende Dornbusch ist Mar’eh, ein schönes Lächeln ist Mar’eh“. Hebräisch muss man als Prisma verstehen, das in ganz viele Richtungen gehen kann“. Und so fühlt es sich dann auch an. Eine Klangmalerei, die verschiedene Zustände beschreibt, eine collagenhafte Darstellung, eine Meditation zu verschiedenen Themen, die den Komponisten Pintscher zum Thema „Schönheit“ beschäftigt haben. Ebenso wie im vorangestellten Werk Debussys sucht er dabei Inspiration in einer Verbindung zur bildenden Kunst. Leila Josefowicz wird bei dieser Suche vom Klangteppich des Tonhalle Orchesters getragen, die Bandbreite ist immens – von kraftvollen Ausbrüchen bis hin zu leise flirrenden, fast schon nervösen Sequenzen. Nach der Pause dann das selten aufgeführte Werk „Le Martyre de Saint Sebastian“, eine Vertonung des Textes von Gabriele D’Annunzio, welche bei seiner Uraufführung 1911 im Pariser Théâtre du Châtelet einen Skandal provozierte (mit der russischen Tänzerin Ida Rubinstein, die leicht bekleidet den heiligen Sebastian darstellte). Das gesamte Werk wird selten bis nie aufgeführt, in der Tonhalle hat man sich für die Aufführung der Teile „I. La Cour des Lys (Der Hof der Lilien“ – II. La Chambre magique (die magische Kammer) – III. Le Concile des faux Dieux (der Gerichtshof der falschen Götter) – IV. Le Paradis (das Paradis)“ entschieden und als Sprecherin die deutsche Schauspielerin Martina Gedeck engagiert. Ihre sprachliche Wucht ist sehr beeindruckend, auch wenn man sich fragt, warum man sich nicht für eine Schauspielerin mit französischer Muttersprache entschieden hat, dies wäre naheliegend gewesen. Dennoch, Martina Gedeck hat das bravourös gemeistert. Die Sopranpartien wurden von Sophia Burgos übernommen, die an diesem Abend ihr Debüt mit dem Tonhalle Orchester gab. Sehr feinfühlig zurückhaltend (und ungewohnt präzise) die Zürcher Sing-Akademie unter der Leitung von Florian Helgath, grossartig und besonders erwähnenswert die Frauenstimmen, die Sopran-Soli von Isabel Pfefferkorn und Ursina Patzen. Ein wirklich interessant klingendes facettenreiches Stück, eine Mischung aus Mystik und kraftvollen Hallelujas.
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