Und wieder einmal pilgerte die Konzert-Fan-Gemeinde wegen Teodor Currentzis nach Luzern ins KKL. Dort läuft gerade das „Lucerne Oster-Festival“ mit dem Schwerpunkt Sakralmusik. Die Erwartungshaltung zu Currentzis Interpretation von Verdis „Messa da Requiem“ mit musicAeterna aus Perm war sehr hoch….
Fazit des Abends: Es gab viel Neues zu Hören. Aber auch ein Quäntchen zu viel an Pathos. Der Abend begann sensationell mit den fast nur zu ahnenden Worten „Requiem aeterna dona eis, Domine,….“ und wie dahin gehauchten Celloklängen – das ging unter die Haut und lies für dieses Konzert Grosses erhoffen, ja es hatte fast schon etwas überirdisch-ätherisches, ebenso dann die brachial-emotionale Erschütterung, der harte Einschlag des „Dies irae“ im Anschluss. Das war wie ein Beben, das nur langsam verebbte, aber das war es dann auch schon für lange Zeit, man wartete auf ähnliche mitreissende Momente, aber diese liessen leider auf sich warten. Zu sehr setzte Currentzis auf Showeffekte und Gestus. Nun, das ist ja fast schon zu seinem Markenzeichen geworden, unterstützt natürlich noch zusätzlich zu den mönchisch gekleideten Musiker*innen und Choristen*innen aus Perm, die allesamt etwas müde und abgeschlagen wirkten. Selten jedoch hat man so viele Melodieläufe einzelner Instrumente klar herausgearbeitet zu hören bekommen, das ganze Requiem ein filigranes Geflecht, statt eines monumentalen Chorkonzertes. Das machte dann auch die Qualität des Konzertes aus und war unglaublich spannend und stellenweise NEU zu hören, auch wenn die Sänger stellenweise etwas blass daherkamen und nicht wirklich dem Weltklasse-Anspruch gerecht wurden, den das Lucerne Festival doch immer so gerne betont: Solide und profund der Bass von TAREK NAZMI, ebenso die Tenorlinien von DMYTRO POPOV, kurzfristig eingesprungen und wohltönend ÈVE-MAUD HUBEAUX und alles überstrahlend die Sopranistin ZARINA ABAEVA beim finalen „Requiem aeternam“ dann nicht mehr an der Rampe, sondern auf einem Podest inmitten des Chores platziert. Das abschliessende „Libera me“ (welches Verdi ja ursprünglich als seinen Beitrag zur Rossini-Totenmesse komponierte und dann das Kernstück für sein Requiem bildete) entlässt einen dann nach dieser Totenfeier wieder zurück in die Realität und beendete das Konzert. Dieser Moment der Kontemplation, diese Stille nach dem Konzert, wurde von Currentzis (für meinen Geschmack) zu sehr in die Länge gezogen, fast schon unerträglich. Die (An)Spannung im Saal war überdeutlich zu spüren, das Publikum wollte seine Begeisterung zeigen, klatschen und endlich zu den obligatorischen Standing Ovations aufspringen – versagte sich dies jedoch und begann teilweise mit einem nervösen Räuspern und Gehüstel. Dann die Erlösung und stehende Ovationen. Konzerte mit Currentzis und den musikAeterna sind natürlich immer ein Erlebnis, dafür sorgt schon die spürbare Energie der grossenteils stehenden Musiker und die etwas plakative Gewandung, dem Weltklasse-Anspruch – den sich das Lucerne Festival ja immer sehr gerne (auch selbst) verleiht – ist dieses Konzert jedoch nicht wirklich gerecht geworden – äusserst solide und aussergewöhnlich: JA, aber das Verdi Requiem hat man anderswo schon prachtvoller hören können. Der Currentzis-Hype indessen ebbt nicht ab und so ist sein „da Ponte“-Zyklus (u.a. mit Cecilia Bartoli) am Sommerfestival fast ausverkauft. Dieser stand auf meiner Watch-List, ich habe mich nun aber gestern Abend im Laufe des Verdi-Requiems dagegen entschieden…
Zuletzt besuchte Konzerte:
Pintscher/Debussy/Josefowicz – Tonhalle Orchester Zürich am 05.04.2019
Grubinger/Trevino – Tonhalle Orchester Zürich am 14.03.2019
Jools Holland & special Guest Marc Almond – Moods Zürich am 22.03.2019
Florence and the machine – Hallenstadion Zürich am 04.03.2019
Erika Stucky – Moods Zürich am 27.12.2018
Blendulf/Jansen – Tonhalle Orchester Zürich am 16.12.2018
Zuletzt besuchtes Konzert mit Teodor Currentzis: Ravel/Stravinsky im Opernhaus Zürich am 25.02.2018.
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