Der Beginn eines neuen Jahres ist immer auch eine Rückschau auf die vergangenen 365 Lesetage. Die Corona-Pandemie hat alles verändert und viele für mich essentielle Dinge konnten nicht stattfinden, wurden verschoben oder in die digitale Welt ausgelagert. Stattdessen hatte man mehr Zeit zum Lesen. Auch gut. Hier eine Rückschau meines literarischen Jahres 2020 – es war ein sehr gutes Lesejahr mit vielen interessanten Neuerscheinungen und insgesamt 63 gelesenen Büchern:
2020 war vor allem ein Jahr der Entdeckungen – gleich zu Beginn des Jahres stand der bewegende Roman von Rebecca Makkai – „Die Optimisten“ über den Beginn der weltweiten AIDS-Pandemie in den Achtziger Jahren. Eine wirklich packende Story und wenn man diese Zeit – so wie ich – selbst miterlebt hat, ein erschütterndes und hervorragend recherchiertes Zeitdokument, mit einem emotionalen Faktor ähnlich wie seinerzeit Hanya Yanagiharas „Ein bisschen Leben“. Ebenfalls an der Spitze der Top-Bücher 2020: Ann Petry – „The Street„, bereits 1946 erschienen, jetzt bei „Kimche & Nagel“ wieder entdeckt und neu aufgelegt. Leider hat aber auch jedes Lesejahr einiges an Flops zu bieten, für mich waren dies unter anderem: Demian Lienhard – „Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat“ (musste ich nach ein paar Seiten beiseite legen…) und Jason Starr – „Seitensprung“.
Als Krimi-Fan gab es 2020 viele tolle Neuerscheinungen, u.a. der neue Roman von Hansjörg Schneider – „Hunkeler in der Wildnis“ (ein „Alterswerk“) oder zuletzt im Dezember der fünfte Band der Cormoran Strike – Reihe von Robert Galbraith (J. K. Rowling) – „Böses Blut“, den ich gerade lese und schon nach ein paar Seiten tief in die Geschichte eingetaucht bin – love it! Always! Packend fand ich eine Trilogie von Daniel Cole – „Ragdoll“/“Hangman“/“Wolves“, den wirklich entzückenden Roman aus Island des Schweizer Autors Joachim B. Schmidt – „Kalmann“ mit einem liebenswerten Protagonisten und zuletzt bin ich überglücklich, eine tolle Krimi-Reihe um Inspektor Gamache von Louise Penny aus Kanada entdeckt zu haben…
Wunderbares Lesevergnügen waren für mich die Short-Stories mit der herrlich-mumpfelnden Figur der Olive Kitteridge von Elizabeth Strout – „Mit Blick aufs Meer“ und „Die langen Abende“. Ebenso bieten die beiden Romane von Nicolas Mathieu – „Wie später ihre Kinder“ und „Rose Royal“ interessante Bestandsaufnahmen Frankreichs, dazu gehört auch Hilmar Klute – „Oberkampf“, in dem es um das Paris zur Zeit des Charlie Hebdo-Attentats vor fünf Jahren geht. Trotz gutem Vorsatz blieben die Klassiker und das Rereading von liebgewonnen Büchern im letzten Jahr auf der Strecke, dennoch (wieder) gelesen und erneut toll: „Via Mala“ von John Knittel (samt Besuch der „Via Mala Schlucht“) und der Weltbesteller von Patrick Süskind – „Das Parfüm“.
Etwas zu kurz kamen leider auch Biographien und Sachbücher, hier lohnten sich auf alle Fälle die herrlich amüsante Autobiographie von Elton John – „ICH“ oder die neu erschienen lesenswerte Biographie „Leni Riefenstahl – Karriere einer Täterin“ von Nina Gladitz. Natürlich sehr aktuell die beiden Biographien zum 100. Geburtstag von Patricia Highsmith und Friedrich Dürrenmatt (Joan Schenkar/Ulrich Weber). Etwas reisserisch im Titel und leider auch eher enttäuscht hingegen: Frédéric Martel – „Sodom. Macht. Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan“.
Noch erwähnen möchte ich zwei Romane, die sich mit Syrien bzw. der dortigen Situation beschäftigen und bei mir immer noch nachwirken: Ronya Othmann – „Die Sommer“ und Khaled Alesmael – „Selamlik“.
Bei den unzähligen neu erschienen Kochbüchern hatte ich die grosse Freude einige testen zu dürfen, darunter natürlich meine absoluten Favoriten: „Palästina“ von Sami Tamimi und Tara Wigley, „Flavour“ von Yotam Ottolenghi, „Asien vegetarisch“ von Meera Sodha oder die Neuerscheinung von Harumi Kurihara – „Harumis leichte japanische Küche“. Ein wirklich toller Küchenratgeber – auch für erfahrene Köche – ist „Küchenwissen“ von Arthur Le Caisne“.
Mein aktueller Lesestapel mit vielen tollen neuen Büchern wächst stetig und unaufhörlich und ich freue mich sehr u.a. auf folgende Titel: Nell Zink – „Das Hohelied“, Ilja Leonard Pfeijffer – „Grand Hotel Europa“, Tarjei Vesaas – „Die Vögel“, Jens Bisky – „Berlin – Biographie einer grossen Stadt“ und eine neue Biographie über „Josephine Baker“ von Mona Horncastle, um nur einen ganz kleinen Teil zu nennen. Auf geht’s in ein spannendes Lesejahr 2021!
Zuletzt gelesen:
Charles Lewinsky – Der Halbbart
Steven Price – Der letzte Prinz
Nina Gladitz – Leni Riefenstahl: Karriere einer Täterin
100 Jahre Highsmith & Dürrenmatt: 2 Biografien
Bernhard Schlink – Abschiedsfarben
Nana Kwame Adjei-Brenyah – Friday Black
Joachim B. Schmidt – Kalmann
Téa Obreht – Herzland
Dana von Suffrin – Otto
Ann Petry – The Street
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