Der Debüt-Roman der Französin Pauline Delabroy-Allard „Es ist Sarah“ hat es in sich. In hohem Tempo wird die Liebesgeschichte zweier Frauen erzählt. Fokus ist jedoch nicht die Homosexualität, sondern die alles verzehrende Leidenschaft und das unglaubliche Ausmass dieser Liebe, die Beide an ihre Grenzen bringt…
Äusserst wohltuend: die lesbische Liebe ist nebensächlich, es geht einzig und alleine um die Begegnung zweier Menschen und deren Emotionen. In diesem Fall um eine Besessenheit, die letztendlich ungesund und der Grund für das Scheitern ist. Nachvollziehbar für den Leser, atemlos das Tempo und flott die Schreibe. Zuletzt eine ähnliche Atemlosigkeit im Stil von Fernanda Melchors „Saison der Wirbelstürme“ – ist das die neue Schriftstellerinnen-Generation? Dann gerne mehr davon. Das Kind ist nebensächlich, zwar vorhanden, aber nicht handlungsbestimmend. Fokus ist einzig und allein diese alles verschlingende Liebe, vom alltäglichen Leben bleibt nicht sehr viel, stattdessen rastlose Begierde, ständige Treffen, vernachlässigter Alltag und Beruf, permanent Sex, immer und überall. Das erinnert ein wenig an die Getriebenheit in Leila Slimanis Roman „All das zu verlieren“. Die interessante Person in dieser Geschichte ist Sarah und nicht die Ich-Erzählerin. Eine Musikerin, die viel mit ihrem Quartett tourt, für ihre Musik, als auch ihre Liebe brennt. Die Partnerin und sich letztendlich damit aber überfordert.
Sie kommt zu spät, atemlos lachend, sie ist voller Leben. Sie spricht zu laut, zu schnell, sie ist zu stark geschminkt, ein Moment wie in Zeitlupe: Es ist Sarah. Am Silvesterabend begegnen sie sich zum ersten Mal: die Erzählerin, eine Lehrerin und frisch getrennte junge Mutter, und Sarah, die hochbegabte und exaltierte Violinistin. Beide leben in Paris, auf den ersten Blick vielleicht das Einzige, was sie verbindet. Sarah ist temperamentvoll, impulsiv, leidenschaftlich, die Erzählerin eher kontrolliert, unauffällig. Eine Freundschaft entspinnt sich zwischen diesen unterschiedlichen Frauen, die in einem Crescendo zu einer Amour fou anhebt, die alles hinfortfegt, was die Erzählerin zuvor gelebt hat: die Trennung von ihrem Ex-Mann, ihr Hadern, ihre Selbstbeherrschung. Doch so schnell und alles verzehrend ihre Leidenschaft entflammt, desto verheerender wird die Harmonie zerstört. Als Sarah erkrankt, flieht die Erzählerin nach Triest, streift alles ab außer der Erinnerung an ihre große tragische Liebe. (Frankfurter Verlagsanstalt)
„Es ist Sarah“ ist ein Roman, den man in einem Zuge durchliest. Der Atemlosigkeit, der Rastlosigkeit des Erzähltempos – mit seinen kurzen, häufig nur aus zwei Sätzen bestehenden Kapiteln – kann man sich nicht entziehen, fast erscheint es einem als Leser unmöglich das Buch beiseite zu legen. Das Ende dann fast ein wenig zu abrupt und für meine Begriffe ein wenig unbefriedigend. Dennoch mit starkem Nachhall.
„Es ist Sarah“ von Pauline Delabroy-Allard, Frankfurter Verlagsanstalt, 2019, ISBN 9783627002644 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar auf Anfrage kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich bei der Frankfurter Verlagsanstalt sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
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