Cabaret – Playhouse Theatre London 13.10.2022

Nach dem letzten grossen Revival des Kander/Ebb-Klassikers „Cabaret“ von Sam Mendes 1993 im Westend und 2013 am Broadway ist nun seit 2021 das fulminante Revival „Cabaret at the KitKat-Club“ im Londoner Playhouse Theatre zu sehen – grossartig!

Zur Premiere grandios besetzt mit Eddy Redmaine als MC und Jessie Buckley als Sally Bowles, sind seit 3. Oktober 22 als aktuelle Besetzung MADELINE BREWER (bestens bekannt als Janine Lindo/Deswarren in „The Handmaid’s Tale“) und CALLUM SCOTT HOWELLS zu sehen. Nach einer gründlichen Renovation wurde das Playhouse Theatre als KitKat-Club neueröffnet, die Kapazität von 550 Sitzplätzen an Tischen (teilweise mit Tischtelefonen…) wurden um die runde Bühne drapiert, dazu auf beiden Seiten Balkone, das Orchester in zwei grossen Portallogen. Der Einlass erfolgt über die Stagedoor, führt durch den Backstage-Bereich mit verschiedenen Bars und Pre-Shows mit Live-Musik und Table-Dance. Es ist eng, heiss, stickig und die aufgeheizte Stimmung Berlins der 30er Jahren ist zu spüren – Der Rausch, der Taumel, die ausgelassenen Nächte, die Dekadenz, Klezmermusik, Servicepersonal und herumwuselnde laszive Tänzer:innen. Das Setting erinnert natürlich sehr an die Sam Mendes-Produktion, funktioniert aber grossartig, man fühlt sich sofort hineingezogen in diesen Taumel und so sitzt man mittendrin vor seinem Gin Tonic und harrt der Dinge. Regisseurin REBECCA FRECKNALL zeigt zwar auch den für diese Show so typischen Tanz auf dem Vulkan, ihr Fokus liegt aber eindeutig auf der immer düster werdenden Stimmung Berlins und es ist immer wieder erschreckend, wie sehr man von den sich einschleichenden Nationalsozialisten und der Machtergreifung schockiert ist, wenngleich sich dies bereits durch die immer verstörender werdenden Verwandlungen MCs ankündigt. Callum Scott Howells ist kein souveräner Showman, er ist fast schon die Karikatur eines Conférenciers, so wie das ganze Ensemble sich zu Beginn als absolut überdrehten Cast präsentiert, der mit seinen verrenkten Choreographien (JULIA CHENG) und aufregenden Kostümen (TOM SCUTT) doch sehr an einen Baz Luhrmann – Film erinnert. Umso gravierender dann die immer stärker werdende Realität, das Erstarken der Nazis, bis zum Schluss, wenn alle gleichgeschaltet, fast schon uniformiert in einheitlichen Anzügen und abgeschminkt auf der Bühne stehen und das Karussell sich (buchstäblich) weiter dreht. Wer ist Mitläufer, wer machtbesessen, wer hat von all dem nichts gewusst? Das ist sehr beeindruckend und so sehr man aufgeheizt von dieser herrlichen Musik und dieser grossartigen Besetzung auch ist, so sehr ist man doch immer wieder schockiert, wie das passieren konnte. Madeline Brewer verfällt nicht der Versuchung, etwas vom abgehalfterten Glamour einer Liza Minelli zu zeigen, ihre Sally Bowles versucht nicht die oft so typische ikonische Darstellung, die man aus dem Film kennt, vielmehr ist sie tragisch, gescheitert, mit grosser emotionaler Tiefe, sie weiss, sie ist keine gute Sängerin und ihr Engagement in diesem doch etwas abgehalfterten Cabaret Kit Kat Club ist ihre einzige und vielleicht letzte Chance und so muss man sagen, habe ich nie eine herzzerreissendere, bewegendere Version von „Maybe this time“ gehört, ihr „Life is a Cabaret“ ist auch eher ein Aufschrei, statt eine Hymne an das Leben. Grossartig! Im Grunde genommen ist Brewer die Sally Bowles, die sich das Autorenteam damals gewünscht hatte. SID SAGAR als Clifford Bradshaw – mit samtweicher Stimme – zunächst noch etwas naiv, ist dann aber wohl der Einzige, der die Zeichen der Zeit erkennt, grossartig voller Humor, liebevollem Miteinander und tragischem Abschied sind VIVIAN PARRY als Fräulein Schneider und RICHARD KATZ als Herr Schulz. MICHELLE BISHOP als Frl. Kost und DANNY MAHONEY als Ernst Ludwig ergänzen diesen fulminanten Cast, der bis in die kleinsten Ensemble-Rollen super besetzt ist. Eine Show aus längst vergangenen Zeiten und doch hat man das Gefühl, sie ist so aktuell wie nie. Ein Erlebnis, das noch sehr lange nachhallt!

Zuletzt besuchte Musicals:

„Hamilton“ – Victoria Palace Theater London 12.10.2022

„Bodyguard“ – Premiere Theater 11 – 05.03.2020

„Les Miserables“ – Premiere Theater 11 Zürich am 23.02.2020

„The Book of Mormon“ – Premiere Theater 11 Zürich am 13.12.2019

„Everybody’s talking about Jamie“ – Apollo Theatre London am 03.04.2019

„Les Miserables“ – Queens Theatre London am 02.04.2019

„Follies“ – National Theatre London am 01.04.2019

„La Cage aux Folles“ – Theater Basel am 31.12.2018

„Sweeny Todd“ – Opernhaus Zürich am 21.12.2018

3 Kommentare

Diesen Beitrag von arcimboldis_world kommentieren

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s