Der neue zweigeteilte Abend des BALLETT BASEL ist grossartig und lohnt die Anreise – zu sehen ist die Uraufführung „Far Side“ des griechischen Choeographen ANDONIS FONIADAKIS und „Fit“ des Schweden ALEXANDER EKMAN, zwei Arbeiten, die unterschiedlicher nicht sein können und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreissen…
Und einmal mehr ist zu erleben, wie universell Tanz sein kann, das versteht jeder, das spricht ein breites Publikum an, auch wenn beide Choreographen den konventionellen Tanz eher dekonstruieren und eine ganz eigene Sprache haben. Das erste Stück von Andonis Foniadakis ist eine Uraufführung und wurde für das Ballett Basel kreiert, „Far Side“ richtet seinen Blick auf den Mond, Foniadakis entführt den Zuschauer auf die der Erde weggekehrte Seite des Mondes. Eine animalische Sphäre dominiert das Geschehen, mich haben einige Sequenzen an „Aquarius“ aus dem Musical „Hair“ erinnert („when the Moon is in the seventh House…), an nächtliche Tänze magischer Personen, an kriechende und sich verknotende Körper, die Tanzsprache erinnert stellenweise ein wenig an das brasilianische Capoeira, einer Kampfsportart. Die Tänzer:innen werden getragen, am Boden geschleift, sie bilden eine Gruppe und sind dann doch wieder als Paar oder einzeln unterwegs, dazu die betörende Musik von JULIEN TARRIDE, die mit ihren elektronischen und sehr lauten Sounds einen Sog erzeugt, der fast schon hypnotisch wirkt und einlullt. DAS ENSEMBLE tanzt „Far Side“ grossartig und vor Kraft strotzend: GIACOMO ALTOVINO, EVA BLUNNO, DANIEL RODRIGUEZ DOMENECH, GIOVANNA DORIA, DIEGO BENITO GUTIERREZ, RUBÉN BAÑOL HERRERA, SERENA LANDRIEL, THOMAS MARTINO, GAIA MENTOGLIO, FRANCISCO PATRICIO, GIULIANA SOLLAMI, SOPHIE VERGÈRES. Die leere Bühne des Schauspielhauses wird durch drehbar-bewegliche Portale (Bühnenbild: SAKIS BIRBILIS) im hinteren Bereich ergänzt, dies schafft unglaublich tolle, stellenweise magische Lichteffekte (LICHTDESIGN: SAKIS BIRBILIS/VASSILIOS CHASSAPAKIS). Noch betört von diesen energiegeladenen 40 Minuten geht man in die Pause und ist voller Vorfreude auf „FIT“ von ALEXANDER EKMAN, ein Stück, das in der Saison 2018/2019 am Nederlands Dance Theater seine Uraufführung hatte.

Und wer Ekmans Arbeiten kennt, der weiss, was er zu sehen bekommt. In Basel gab es am grossen Haus bereits „COW“ von ihm zu sehen, mich hat seine Arbeit „PLAY“ erstmals begeistert im Palais Garnier in Paris. Auch bei „fit“ arbeitet Ekman an konkreten Fragestellungen unserer Zeit. Wer oder was passt («fitting in» im Sinne von «hineinpassen») in einen gesellschaftlichen oder künstlerischen Kontext? Und er beantwortet diese Fragen in gewohnt witziger Art und Weise, mit viel Ironie karikiert er die Kunstblase, karikiert er unser ganzes Leben und dies in einem leichtfüssig schwebenden Zustand, köstlich die synchron gesprochenen Textpassagen und Fragestellungen der Tänzer:innen, immer mit einer augenzwinkernden Ernsthaftigkeit an sich und das Publikum gerichtet. Es wird geschäkert und kokettiert und man tanzt und flirtet mit den Kolleg:innen und dem Publikum. Grossartig das Setting (ebenfalls von EKMAN) und die Kostüme (EKMAN UND YOLANDA KLOMPSTRA) sowie die Musikauswahl („Take Five“ von Paul Desmond, „Big Smack“ von Johnny Hodges, „Serious Drug – Instrumental“ von Freddie Cruger und Red Astaire), bei der man selbst im Publikum immer dazu neigt den Takt aufzunehmen und mitzuwippen. Das Schöne an dieser Bühne im (kleineren) Schauspielhaus ist, man ist nah dran und bei Ekman sogar mittendrin in dieser grossartigen Besetzung, wenn JARED BROWN, LYDIA CARUSO, DAYNA FLORENCE, LISA HORTEN-SKILBREI, ALEIX LABARA, DAVID LAGERQVIST, NOLAN MILLIOUD, MATIAS MOURA, CELIA SANDOYA, TANA ROSÁS SUÑE, ANDREA TORTOSA VIDA, MAX ZACHRISSON die Bühne verlassen und sich inmitten der Zuschauer verteilen. Dieses Unmittelbare hat eine ganz eigene Qualität und so verlässt man beschwingt und mit bester Laune die Vorstellung und begibt sich anschliessend in einen lauen Sommerabend. Zu Beginn des Stückes lässt uns das Ensemble mit dieser herrlichen augenzwinkernden Selbstironie wissen, dass wir „die beste Performance aller Zeiten erleben werden“, zuletzt vor dem tobenden Schlussapplaus erfahren wir von allen nochmals, dass wir sie nun gesehen haben – Grossartig ist das!
Zuletzt besuchte Ballett/Tanz-Produktionen:
The Cellist (Cathy Marston) – Ballett Zürich 18.05.2023
Coppélia (Edward Clug) – Theater Basel 23.04.2023
Gauthier Dance Company: The Seven Sins – Theater Winterthur 14.04.2023
ANNE TERESA DE KEERSMAEKER: 5AGON – MUSÉE D‘ART MODERNE DE PARIS 31.03.2023
PIT (Bobbi Jene Smith/Or Schreiber) – BALLET DE L‘OPÉRA NATIONAL DE PARIS 29.03.2023
On the Move (van Manen/Stiens/Spuck) – Ballett Zürich 29.01.2023
Giselle – Theater Basel 15.01.2023
Il lago dei cigni (Schwanensee) – LAC Lugano 10.12.2022
Nachtträume/Marcos Morau – Ballett Zürich 09.10.2022
Dornröschen – Ballett Zürich 06.06.2022
Peer Gynt/Edward Clug – Ballett Zürich 26.05.2022
Ruß – eine Geschichte von Aschenputtel – Badisches Staatstheater Karlsruhe 30.04.2022
💜
LikeLike