Hippolyte et Aricie – Oper Zürich 07.06.2019

(Viel mehr) Frauen ans Dirigentenpult! Nach einer besuchten Vorstellung der Zürcher Neuproduktion von Rameaus „Hippolyte et Aricie“ ist eines jedenfalls klar: schon lange nicht mehr so viel Freude und Energie aus dem Graben gehört. Da wünscht man sich doch die teils verknöcherte Altherrenriege an mancher Orchesterspitze sonst wohin und mehr kraftvolle Dirigentinnen wie die französische Powerfrau mit Feingefühl EMMANUELLE HAĪM in die Spitzenpositionen… (und keine weiteren lebenslangen Vertragsverlängerungen wie von Herrn Barenboim in Berlin).

Der stärkste Jubel am Schluss gilt dann auch zu Recht der musikalischen Leitung. An diesem Abend hört man das Zürcher Barockorchester LA SCINTILLA in Bestform. Die Musik von Jean-Philipp Rameau bietet äusserst spannende Momente und nicht nur dahinplätschernde höfische Barockmusik. Ungewohnte Klänge (u.a. Kettengerassel und Kastagnetten), stark betonte Akzente auf die Flöten, aber auch sanfte wundervolle Momente ertönen da aus dem Graben und von der Bühne, etwa wenn die drei Parzen (NICHOLAS SCOTT/SPENCER LANG/ALEXANDER KIECHLE – Bravi!) nur von den zwei Kontrabässen begleitet ihr Terzett anstimmen. Hier kommt man ins Schwelgen zur vielseitigen Musik Rameaus. Das Stück selbst – eine Mischung aus Familien- und Götterdrama – wurde von der niederländischen Regisseurin (hurra – ein reines Frauenteam!) JETSKE MIJNSSEN feinfühlig und unaufgeregt auf die Bühne gebracht, eine gewisse Archaik (die das Stück auch braucht) ist dennoch vorhanden. Das Sie das kann, hat sie zuletzt hier in Zürich mit Mozarts „Idomeneo“ bewiesen. Der Ausstatter BEN BAUR (der unter anderem in Zürich auch die tolle Ausstattung zu „La verità in cimento“ entworfen hat) hat hierfür eine Raum auf die Drehbühne gesetzt, der an eine Mischung aus Pantheon und Säulengang erinnert und viel Spielraum bietet. Mijnsen erzählt diese fünfaktige Tragödie als Familiendrama, aus der trotz „Happy End“ nur Verlierer hervorgehen (entweder tot oder in der Beziehung vereinsamt). Es siegt der Staat, das private Glück bleibt auf der Strecke. Neben einer äusserst starken Frauenriege (MÉLISSA PETIT als Aricie, STÉPHANIE D’OUSTRAC als Phédre (trotz gebrochenem Fuss kraftvoll und ausdrucksstark wie gewohnt), HAMIDA KRISTOFFERSEN als Diane, AURÉLIA LEGAY als ŒNONE) ist die Entdeckung des Abends wohl CYRILLE DUBOIS als Hippolyte mit seinem klaren hellen und sehr leicht daherkommenden Tenor. Der wohl schwule Thésée von EDWIN CROSSLEY-MERCER gewinnt musikalisch erst im zweiten Teil nach der Pause an Kraft und Ausdrucksstärke. Schöne Bilder schafft die Regisseurin vor allem in der Unterwelt mit seinen schwarzen Rabenmenschen, wenn Thésée lieber dorthin seinem toten jungen Lover nachfolgt, als bei seiner Frau zu bleiben. Die offene Ouvertüre macht durchaus Sinn (auch wenn ich persönlich derartige Pantomimen nicht mag und sehr oldfashioned finde), erklärt sie doch die Familienverhältnisse und den daraus resultierenden Handlungsverlauf. Ein musikalisch intensiver Abend mit Barockmusik, die alles andere als dahindümpelt. Sehenswert. Hörenswert. Frauenpower pur. Mehr davon bitte!!!

Zuletzt besuchte Musiktheater-Vorstellungen:

„La sonnambula“ – Oper Zürich 09.05.2019 (konzertant)

„Manon“ – Oper Zürich 22.04.2019

„humanoid“ – Theater Winterthur 03.03.2019

„Lucia di Lammermoor“ – Oper Zürich 28.02.2019

„Der Rosenkavalier“ – Oper Zürich 27.02.2019

„Le grand macabre“ – Oper Zürich 16.02.2019

 

5 Kommentare

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