Eine Sci-Fi-Oper für Jugendliche – so wurde die Uraufführung „humanoid“ von den drei verantwortlichen Kulturinstitutionen Theater Winterthur, Musikkollegium Winterthur und dem Konzert Theater Bern angekündigt. Umgesetzt wurde daraus ein interessant bearbeitetes Thema, unterhaltsam und gelungen – auch für interessierte Erwachsene…
In heutigen Zeiten, wo sich alles um Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Robotik dreht, ist das Libretto von PAMELA DÜRR sicherlich ein spannender Ansatz, sich diesen Themen zu nähern. Dabei geht es letztendlich ja auch um die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Das ist nichts Neues, wurde unter anderem auch schon in der sehr guten und intelligenten schwedischen Fernsehserie „Real Humans“ verarbeitet. „Humanoid“ beleuchtet dabei das mögliche Verschmelzen von Gefühlswelten und versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, ob und welche Art von (Liebes)-Beziehungen zwischen Menschen und künstlichen Wesen möglich ist: Der Programmierer Jonah (PER LINDSTRÖM) erschafft die Androidin Alma (ORSOLYA NYAKAS mit glasklar tönendem Sopran), nachdem er sich von der ebenfalls androiden Vivienne getrennt hat (LARISSA ANGELINI) – diese war ein Abbild und Ersatz seiner verstorbenen Freundin. Wohl der Einfachheit halber, damit keine unangenehmen Fragen auftauchen, löscht Jonah jeden Abend Almas Speicher, dies wird jedoch umgangen, indem ein Kind (der wunderbare Counter-Tenor OSCAR VERHAAR mit Tutu und Königskrone) die Daten im Androiden Juri (MICHAL MARHOLD) zwischenspeichert. Als Jonah klar wird, dass Vivienne nur eine unbefriedigende Kopie war, zerstört er sie und realisiert die aufkommende Macht der Androiden – sein Freund Piet (WOLFGANG RESCH, leider ohne jegliches Gefühl für Körperlichkeit) hat den dazugehörenden Befehl geliefert: Destroy. Regisseurin CORDULA DÄUPER konzentriert sich ausschliesslich auf die Figuren, arbeitet die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine heraus, eine räumliche Verortung findet nicht statt (ist auch nicht nötig), hierfür hat RALPH ZEGER ein interessantes Bühnenbild aus beleuchteten Catwalks geschaffen – das Musikkollegium Winterthur unter der musikalischen Leitung des jungen Dirigenten SEBASTIAN SCHWAB ist darin integriert. Die hierfür entstandene Musik des holländischen Komponisten LEONARD EVERS ist eine Melange aus Neuer Musik und einem Versatz teilweise sehr jazziger Elemente, das geht gut und gängig ins Ohr, ohne beliebig zu wirken. Die Kostüme von SOPHIE DU VINAGE unterstützen die Doppelungen und haben bei den Androiden auch die nötige Portion und gute Mischung aus Humor und Technik-Look. Am Schluss bliebt die Frage, ob Piet selbst nur eine Kopie – also humanoid – ist? Das gibt natürlich Denkanstösse über den zukünftigen Umgang mit neuen Technologien.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man mit der Auswahl des Themas sicherlich Schulklassen und interessierte Kinder- und Jugendliche anspricht, ich bezweifle jedoch, ob ein derartiges Projekt bei jemandem die Liebe zur Oper zu wecken vermag. Das ist doch etwas sehr durchschaubar, man kann jungen Menschen durchaus etwas mehr zutrauen. Der Weg nach Winterthur zu dieser Produktion hat sich jedenfalls gelohnt – eine interessante Uraufführung im sonst häufig tristen Repertoire-Dschungel.
„humanoid“ von Leonard Evers (*1985), Uraufführung am 21.2.2018
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