Nello Santi am Pult!! – Der ganze Saal in Aufruhr und tosender Begrüssungsapplaus für den 87 jährigen italienischen Dirigenten, der für das italienische Repertoire an der Oper Zürich seit nunmehr 60 Jahren prägend ist…
So schwerfällig und von Helfern gestützt sein Weg ans Pult ist, so leicht und virtuos führt Santo dann die Philharmonia Zürich durch die drei Akte dieses musikalischen Belcanto-Schwergewichtes. Ein Hörplatz hätte also ausgereicht, denn auf der Bühne gibt es – ausser elender Rampensingerei und klassischem Operngestus – nichts Spannendes zu sehen. Die Inszenierung DAMIANO MICHIELETTOs von 2008 ist wirklich nichtssagend und ärgerlich und ergeht sich fortwährend in sinnlosen Chorbewegungen, Plattitüden und Einfallslosigkeit, schade – dabei war ich von seiner Zürcher „Luisa Miller“ ziemlich angetan. Hingucker im Bühnenbild von PAOLO FANTIN ist sicherlich das schiefstehende zerstörte gläserne Hochhaus aus besseren Zeiten, welches je nach musikalischer Stimmung die Farben wechselt, hier hat das Lichtkonzept (MARTIN GEBHARD) aus dem vollen Schöpfen können, der Effekt ist aber auch schnell erschöpft und vordergründig plakativ. Dazu passen jedoch die aufdringlichen Kostüme von CARLA TETI (die schwarzen Lackmäntel des Herrenchores am Schluss sind fast genauso unerträglich wie die glänzend goldenen Abendkleider der Damen – oder sollte das ein Revival einer 80er Jahre Regiearbeit sein?). Der Chor wird entweder immer schön als Gruppe oder in Reihen drapiert oder darf auch mal (warum auch immer) das Hochhaus bespielen – also treppauf treppab – damit etwas Bewegung in diese sonst rein statuarische Aufführung kommt. Bei den Solisten ist es leider nicht besser: an der Rampe stehen, singen, hinknien, singen, aufstehen, an der Rampe stehen, zumeist frontal zum Publikum. Das dient sicherlich der gesanglichen Qualität und Textverständlichkeit, aber – bitteschön – diese Zeiten sind doch längst vorbei. Ich habe schon sehr lange nicht mehr so eine langweilige und uninspirierte Produktion gesehen. Schade, denn musikalisch war es toll. Bis auf die etwas undifferenzierte, da meist viel zu laut tönende, massige Stimme von ROMAN BURDENKO als Lord Enrico Ashton, gab es eine hervorragende Besetzung an dem von mir besuchten Abend. NINA MINASYAN als Lucia di Lammermoor, anfänglich noch etwas blass, überzeugt durchgehend mit einer herrlichen Strahlkraft in ihrer Stimme. Die Wahnsinnsszene meistert sie bravourös, bevor sie dann (gedoubelt) in die Tiefe springt. Ihre Koloraturen perlen nur so dahin, im Saal herrscht absolute Stille, jegliche Konzentration liegt auf ihr – sie schafft es, die Zuschauer zu packen und meistert gekonnt die eindringliche Balance zwischen sanften leisen, ja zärtlichen Passagen bis zu ihren geschliffenen Spitzentönen – hier überzeugt sie auch in der Darstellung, hier kann man erahnen, was dies auch szenisch für ein toller Abend hätte sein können. Ebenbürtig an ihrer Seite der spanische Tenor ISMAEL JORDI (der mir bereits vor ein paar Wochen als Duca di Mantova in Tatjana Gürbacas „Rigoletto“ – Inszenierung sehr gut gefallen hat). Seine helle, leicht klingende Stimme ist – finde ich – die ideale Besetzung als Edgardo – sehr ergreifend seine Selbstmordarie „Tu che a Dio spiegasti l’ali“ am Schluss. Wie schön die Stimme miteinander harmonierten, war zum Ende des 2. Aktes beim Sextett „Chi mi frena in tal momento“ ergreifend zu hören – Belcanto pur! Und auch Tage später immer noch im Ohr. Besonders erwähnenswert in der Besetzung ist sicherlich der gepflegte und überaus wohlklingende Bass von WENWEI ZHANG (als Raimondo) – immer wieder schön, ihn und seine geschmeidige Stimme zu hören.
So ist das eben manchmal in der Oper – Augen zu und durch! Trotz dieser ärgerlichen, weil so furchtbar banalen und lieblosen, Inszenierung ein tolles Erlebnis, Nello Santi nochmals am Pult zu erleben!
„Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti (1797 – 1848)
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