Blendulf/Jansen – Tonhalle Maag 16.12.2018

Die „Übergangs“-Saison 2018/2019 zwischen der in Zürich glücklosen Ära von Lionel Bringuier und dem neuen Künstlerischen Leiter des Tonhalle Orchesters Paavo Järvi, der seine Position im Herbst 2019 antritt, macht programmatisch nicht wirklich grosse Lust auf einen Konzertbesuch. Als hätte man versucht, dieses Jahr irgendwie zu überstehen und sich spannende Highlights für die nächsten Jahre aufzusparen. Und so verwundert es nicht, habe ich relativ wenig Tickets im Vorfeld bestellt und es musste Dezember werden, bis zu einem ersten Konzertbesuch in der Tonhalle Maag…

Zu hören gab es – neben der relativ belanglosen Ouvertüre zu „Ruslan und Ljudmila“ von Michail Glinka und der fünften Sinfonie von Prokofjew – eine interessante Schweizer Erstaufführung des Violinkonzerts „Einsame Fahrt“ von Anders Eliasson.

Michail Glinka (1804-1857): Ouvertüre zur Oper „Ruslan und Ljudmila“

Anders Eliasson (1947-2013): Violinkonzert „Einsame Fahrt“ (SEA)

Sergej Prokofiew (1891-1953): Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100

Glinka, der als „Vater der russischen Musik“ gilt und mit „Ein Leben für den Zaren“ die erste Oper in russischer Sprache schrieb, hat mit „Ruslan und Ljudmila“ ein Versepos von Alexander Puschkin vertont und mit deren Ouvertüre ein beliebtes und im Konzertrepertoire häufig gespieltes Werk geschaffen. Dieses heitere und temporeiche Stück umrahmt zusammen mit Prokofjews Symponie das eher tiefgründige Violinkonzert von Eliasson. Der Hornist Mischa Greull gibt eine eher philosophische Einführung zum Stück „Einsame Fahrt“ und bringt es inhaltlich auf den Punkt: Jeder ist im Grunde genommen einsam und auf sich alleine gestellt, auch in einem Konzertsaal, den man mit Hunderten von weiteren Besuchern gemeinsam teilt. Das einzig Verbindende ist die Musik. Das Werk entstand 2010 und Eliassons  Meinung, dass „Musik ansprechen und Ansprüche stellen müsse und nicht nur als blosse Unterhaltung dienen dürfe“ schlägt sich in diesem Werk deutlich nieder. Und so gerät dieser Programmpunkt auch zu einer intensiven und emotionalen Tour mit dem Tonhalle Orchester und seinem Dirigenten Daniel Blendulf. Ihm und der Solistin Janine Jansen ist anzumerken, dass die beiden nicht nur privat ein Paar sind, sondern dieses Werk bereits mehrfach gemeinsam aufgeführt haben. Intensiv erlebt man Jansen – diese Saison „Artist in Residence“ – sowohl während ihrer Soloparts, als auch während des Pausierens, sie lebt und fühlt sichtbar und spürbar für den Besucher (vor allem in den ersten Reihen) die Partitur und zeigt beeindruckend die noch lange nachhallende Emotionalität dieses Werkes.

Nach der Pause dann die wohl meistgespielteste Sinfonie Prokofjews: No. 5 in B-Dur, entstanden im Kriegsjahr 1944 und nach einer langen „symphonischen Pause“. Hier, wie schon beim vorangegangenen Violinkonzert zeigt Blendulf vollen Einsatz, den man offenbar von relativ jungen Dirigenten erwartet. Im Gegensatz zu manch alten, langjährig erfahrenen Kollegen, die ihre Konzerte mit minimalem Gestus bestreiten, führt Blendulf das Orchester weit ausholend und mit grossem Pathos. Wie immer – so auch hier – klingt Prokofjew immer auch ein wenig nach Filmmusik. Das gibt dem Zuschauer das Gefühl von unbändiger Kraft und Energie, die auch zu hören ist, vor allem beim Schlagwerk und den Blechblasinstrumenten – manchmal mit etwas zu schriller und aufgedrehter Dynamik – das sieht nach schwerer Arbeit aus und so wundert es nicht, dass Blendulf zum Konzertende auch schweissgebadet und sichtlich erschöpft den begeisterten Applaus in der eher mässig verkauften Tonhalle entgegen nehmen kann.

 

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