La Regenta – Matadero Madrid 25.10.2023

Einer der spannendsten Orte für Kunst und Kultur in Madrid ist wohl das weitläufige, sehr schöne „Matadero Madrid. Centro de creación contemporánea“ – hier gibt es viel zu sehen und zu erleben. 2010 wurde der grosse Saal Fernando Arrabal eingeweiht und – lucky us – hatten wir das grosse Glück die Uraufführung der Oper „La Regenta“ von María Luisa Manchado Torres hier zu sehen, eine Koproduktion des Teatro Real mit dem Teatro Español. Eine Geschichte über Leidenschaften, Hass, Eifersucht und Besessenheit, die die konservative spanische Gesellschaft einer früheren Epoche porträtiert…

„La Regenta“ ist bereits Manchados (*1956) dritte Oper und das Ergebnis eines langen Entstehungsprozesses, der 2002 während der Sommerkurse der UIMP auf Anregung von Professor Amelia Valcárcel begann. Das Libretto entstand dann auch in enger Zusammenarbeit zwischen den beiden und basiert auf dem gleichnamigen Roman (von 1884-1885) von Leopoldo Alas, Clarín. Es ist absolut spannend, eine Uraufführung in einem anderen Land zu erleben, zu spüren, wie sich zeitgenössische Oper in anderen Sprachregionen, in Ländern mit einem anderem kulturellen Hintergrund entwickelt. Ana Ozores „La Regenta“, die mit dem älteren Víctor Quintanar in einer Zweckehe verheiratet ist, führt ein einsames und langweiliges Leben, weshalb sie sich in die Mystik flüchtet. Ihr Beichtvater Fermín de Pas verliebt sich in sie, sie geht eine Affäre mit einem Schönling aus der Provinz Álvaro Mesía ein. Ein Liebeskonflikt, der dazu führt, dass die junge Frau von der Gesellschaft, von der Stadt in der sie lebt, verstoßen wird. Ein wirklich gute Geschichte, ein grossartiger Cast und eine spannende berührende Inszenierung machen diese Uraufführung zu einem Erlebnis. Regisseurin BÁRBARA LLUCH und ihr Bühnenbildner URS SCHÖNENBAUM schaffen eine Welt auf zwei Ebenen, da ist zum einen die einsame in ihren vier Wänden gefangene Ana Ozores, zum anderen die Gesellschaft, die permanent von oben auf sie herabsieht, ihr Leben beobachtet, analysiert, kommentiert, sich ihr – wenn es passt – zuwendet und sie letztendlich verstösst, als sie nicht mehr der Konvention entspricht. Das Dilemma ist zeitlos, die Kostüme von CLARA PELUFFO wandern durch die Epochen, grossartig die Idee, die Protagonistin als Kleiderpuppe zu inszenieren, der – je nach Situation, je nach Anlass – die entsprechenden Kostüme angezogen werden, sie ist ein Spielball, eine Marionette, eine Puppe, die gehorcht und es nicht schafft, aus dieser Enge, aus diesem Korsett auszubrechen. Sie kann an dieser starren Gesellschaft und ihren starren Konventionen nur zerbrechen, von oben herab wird sie belächelt, von der Kirche missbraucht und fallen gelassen. Das ist sehr bewegend, auch wenn man als nicht-spanisch-sprechender Besucher dem Libretto nicht wirklich folgen kann. Die Übertitelung ist leider nur auf spanisch, schade, denn man kann erahnen, dass die Textvorlage grossartige Momente enthält. Aber auch so ist „La Regenta“ ein wirkliches Ereignis, die 17 Orchestermusiker unter der Leitung von JORDI FRANCÉS erzeugen einen durchlässigen Sound in diesem Saal, die oftmals feine, ja fast zarte Partitur der Musik Manchados wird häufig solistisch von Harfe und Klavier bestimmt, oft mit interessanten Schlagwerkeinsätzen. Der Chor ist darstellerisch präsent und musikalisch auf dem Punkt (Einstudierung: JOSEP VILA). Und MARIA MIRO mit ihrem schön klingenden lyrischen Sopran als Ana Ozores ist eine Wucht, omnipräsent mit sehr vielen Facetten – wir erleben diese Figur taumelnd im grossen Liebesglück, aber auch in ihren einsamen, verlassenen, verstossenen und sehr tragischen Momenten. Ihr gegenüber der schmierige Vertreter des Klerus DAVID OLLER und als Provinzschönling und Liebhaber: VICENÇ ESTEVE als Álvaro Mesía. Das ganze Ensemble sehr engagiert: CRISTIAN DÍAZ (Don Víctor), PABLO GARCÍA-LÓPEZ (Paco Vegallana), MARÍA-REY JOLY (Obdulia), ANNA GOMÁ (Petra), LAURA VILA (Doña Paula) und GABRIEL DÍAZ (Sapo). Eine beeindruckende Produktion, am Schluss im ausverkauften Saal lang anhaltender Applaus und grosse Begeisterung, auch für die anwesende Komponistin.

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15 Kommentare

  1. buchuhu

    Vielen Dank für diesen schönen Beitrag! „La Regenta“ von Clarín habe ich im Studium gelesen, der Roman kam sogar in meiner Magisterprüfung dran. Nun, lang ist’s her… Aber jetzt würde ich am liebsten gleich die Koffer packen, in meine Lieblingsstadt Madrid reisen und mir die Oper anschauen.

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    1. arcimboldis_world

      Ja, das kann ich mir vorstellen, Madrid ist immer eine Reise wert. So eine schöne Stadt und so viel Kunst und Kultur. Die „Regenta“ Produktion war wirklich sehr sehenswert, ein interessanter Stoff wie ich finde und grossartig umgesetzt. Herzlichsten Gruss aus Zürich. A.

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