La Rondine – Oper Zürich 01.10.2023

Endlich – 106 Jahre nach der Uraufführung in Monte Carlo – nun als Schweizer Erstaufführung an der Oper Zürich zu erleben und zu Recht von Presse und Publikum gefeiert: Giacomo Puccinis „La Rondine“. Was für eine tolle Produktion, zum Weinen schön…

Sieht und hört man diese Neuinszenierung zur Saisoneröffnung in Zürich, so fragt man sich schon, warum das Werk nie zu sehen ist – da werden hier und da Opern ausgegraben, die zu Recht in der Versenkung verschwunden sind und dieses Juwel schlummerte bisher in der Vergessenheit. Das wird sich nun ändern! „La Rondine“ gilt es zu entdecken und wiederzubeleben. Die Geschichte berührt von Anbeginn bis zum herzzereissenden Ende und musikalisch bekommt man die herrlichen Melodien nicht mehr aus dem Ohr. Regisseur CHRISTOF LOY nimmt die Vorlage ernst und siedelt die Geschichte (mehr oder weniger) zeitlos in einem grossbürgerlichen Salon an, das Bühnenbild von ÉTIENNE PLUSS ist grossartig in seiner Wirkung, zeigt es doch, dass sich manchmal nicht viel ändert im Leben, egal ob man sich in der Pariser Bohème bei „Bullier“ bewegt, in „guter“ Gesellschaft oder im Liebesnest einer Villa an der Riviera. Die Protagonistin Magda kann nicht aus ihrer Haut – zu starr sind die gesellschaftlichen Konventionen, aber auch sie selbst – und so kehrt sie am Schluss zurück in ihr bisheriges Leben, die Schwalbe zieht weiter, immer auf der Suche. Das ist so tragisch und so bewegend. Grossartig die Szene am Schluss wenn sich der Vorhang zur lichtdurchfluteten Freiheit schliesst und die Enge des Raumes, die Biederkeit der Pläne Ruggeros mit Haus und Kind überdeutlich werden und im Raum stehen und ebenso grossartig das Schlussbild, wenn alles wieder beim alten ist und bleibt. Es gibt manchmal keinen Ausweg, auch wenn das Rad sich dreht, man bleibt stehen. Loy arbeitet immer an der Musik entlang, mit ihr und nicht gegen sie und das ist der Hauptgewinn des Abends nebst einer fantastischen Besetzung: ERMONELA JAHO als Magda besticht bereits zu Beginn mit ihren sanften leisen und absolut berührenden Tönen in ihrer ersten grossen Arie, besticht aber auch im Forte gemeinsam mit Chor und Ensemble etwa am Ende des 2. Aktes. In ihren letzten fast gehauchten Tönen bevor zuletzt der Vorhang fällt liegt so viel Wehmut und Traurigkeit, das ist ergreifend, es ist als würden sämtliche Zuschauer den Atem anhalten, was für ein grosser Moment. Ihr gegenüber natürlich immer wieder schön zu erleben, der wunderbare BENJAMIN BERNHEIM als Ruggero, berührend, wie zerbrechlich er ist, wenn Magda ihm mitteilt, dass sie ihn verlassen wird. Und dann ist da noch das köstliche zweite Paar: die immer wieder umwerfende und bezaubernde SANDRA HAMAOUI, diesmal als witzig-freche Lisette und der Künstler Prunier von JUAN FRANCISCO GATELL. Auch alle weiteren Rollen sind präsent, musikalisch stark und von Christof Loy hervorragend gearbeitet: VLADIMIR STOYANOV (Rambaldo), ANDREW MOORE (Périchaud), NATHAN HALLER (Gobin/Ein junger Mann/Adolfo), STANISLAV VOROBYOV (Crébillon), YULIIA ZASIMOVA (Yvette/Georgette), MEETA RAVAL (Bianca/Gabriella), VALERIY MURGA (Butler), SIENA LICHT MILLER (Suzy/Lolette), AMIN AHANGARAN (Abonnier), ANNABELLE KERN (Kellnerin) und YANNICK BOSC (Kellner). Sonst hat man am Zürcher Chor meistens etwas zu bemängeln, doch in dieser Produktion muss man klar sagen: Chapeau! Grossartige Leistung (Einstudierung: ERNST RAFFELSBERGER). Die musikalische Leitung dieser Produktion hat MARCO ARMILIATO, bekannt für seine leidenschaftlichen Dirigate und seine Hingabe an die Musik, ein wahrer Kenner dieses Fachs. Sein Puccini klingt überhaupt nicht kitschig, zeigt aber all die unglaublich vielseitigen Facetten der Partitur, da gibt es elegische Walzermomente, herrliche Arien, Duette und Ensembles und ab und zu hört man „La Bohème“-Anklänge, die Sänger sind durchgehend sehr gut verständlich, der Klang aus dem Graben ist filigran und zart und doch gibt es eben diese typischen üppigen Puccini-Momente, in denen man das Gefühl hat, der Orchestergraben leuchtet und strahlt. Was für eine tolle Produktion, man wünscht sich, dass nun endlich dieses Werk seinen Siegeszug antritt und an vielen Häusern zu hören sein wird. Bravi Bravi Bravi!

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