Nach dem Bestseller „Geständnisse“ ist nun ein weiterer Roman der japanischen Autorin Kanae Minato auf Deutsch erschienen. Minato gilt in Japan als eine wichtige Vertreterin des „iyamisu“, einer Unterkategorie der Kriminalliteratur. Letztlich ist auch dieser Roman aber mehr als nur ein Krimi…
„Schuldig“ ist ähnlich subtil gehalten wie der Erstling und man hat die schöne Möglichkeit in die Kultur und Lebensart Japans einzutauchen. Viele Ereignisse und Begebenheiten erscheinen einem europäischen Leser fremd, die Personen sind eher spröde und nicht unbedingt Sympathieträger. Fukase, der im Mittelpunkt steht, ist ein komplexbeladener, unscheinbarer Typ mit stark angeknackstem Ego, dessen grosse Leidenschaft der Kaffeezubereitung ausgiebig beschrieben wird – interessant, in einem Land, welches man eher mit Tee-Zeremonien in Verbindung bringt. Überhaupt dreht sich bei den meisten beschriebenen Szenen, Handlungen, Ereignissen alles immer irgendwie ums Essen, dies wohl auch zur Verdeutlichung diverser Charakterzüge der einzelnen Personen. Aber nicht nur das macht diesen Roman etwas eintönig, ja fast schon langweilig und nutzt sich irgendwann ab, im Vergleich zum äusserst subtilen und spannenden Romanerstling. Der Plot klingt zunächst interessant und man fragt sich ziemlich lange, worauf es wohl hinauslaufen wird. Ob man sich in einem Horror-Genre à la „Ich weiss, was Du letzten Sommer getan hast“ hinauslaufen wird? Das wäre aber zu einfach für Minato…
Vier Freunde, ein tragisches Unglück und die Frage nach der Schuld: Fünf Studenten aus Tokio wollen in einem abgelegenen Dorf zusammen ein paar Ferientage verbringen. Einer von ihnen, Hirosawa, kommt bei einem Autounfall auf einer kurvenreichen Bergstrasse ums Leben. Drei Jahre später holt das schreckliche Ereignis die ehemaligen Studienkollegen ein. Sie erhalten anonyme Briefe, in denen sie des Mordes an ihrem Freund beschuldigt werden. Raffiniert erzählt die japanische Erfolgsautorin Kanae Minato von den zahlreichen Verkettungen, die zu dem tödlichen Unfall geführt haben, lockt den Leser gekonnt auf falsche Fährten, bis schliesslich die tragische Wahrheit ans Licht kommt (Verlag C. Bertelsmann)
Die Autorin wechselt zwischen den Personen und Zeitebenen, das macht das Lesevergnügen zwar etwas spannender, in die Pötte kommt dieser Krimi, Thriller, Roman oder welchem Genre auch immer man „Schuldig“ nun zuordnen möchte, leider nicht. Dennoch liest er sich zügig von Anfang bis zum Ende und überrascht natürlich. Es geht um das grosse Thema Schuld und Sühne, Vergebung und Moral und beleuchtet daraus verschiedene Perspektiven, in einer eher schnörkellosen und geradlinigen Sprache. Nicht so gut wie „Geständnisse“, aber trotzdem ein Pageturner.
„Schuldig“ von Kanae Minato, C. Bertelsmann Verlag, 2019 – ISBN: 978-3-570-10367-8 (Werbung)
Dieser Blog-Beitrag ist ohne eine vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden. Ich habe ein Rezensionsexemplar auf Anfrage kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich mich beim Verlag C. Bertelsmann (Randomhouse) sehr herzlich bedanken möchte. Meine Meinung blieb davon in jeglicher Art und Weise unbeeinflusst.
Alan Hollinghurst – Die Sparsholt-Affäre
Joël Dicker – Das Verschwinden der Stephanie Mailer
Hanna Yanagihara – Das Volk der Bäume
Heinz Strunk – Der goldene Handschuh
Katharina Mevissen – Ich kann Dich hören
Paul Theroux – Mutterland
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